Monatsinterview mit Regula Nobs – «Vielleicht ist Schach einfach nicht sexy genug!?»

von Oliver Marti (Kommentare: 3)

Regula Nobs: Eine Primarlehrerin lehrt Schach.

om - Regula Nobs ist Primarlehrerin einer ersten und zweiten Klasse, wo das Schachspiel auch regelmässig in den Unterricht mit einfliesst. Die Hobby-Spielerin betrachtet Schach als eine Art Lebensschule und lässt uns an ihrer Erfahrung teilhaben, wie Schulkinder dem Spiel mit den märchenhaft anmutenden Holzfiguren gegenüberstehen.

Welches ist Ihr persönlicher Bezug zum Schach?

Als Kind lernte ich die oberflächlichen Sachen, sprich das «Töggeli schlagen». Die Lehren des Schachs wende ich dann eher neben dem Schachbrett an. Wenn einem zum Beispiel jemand schwierig begegnet – er sozusagen eine meiner Figuren geschlagen hat –, nicht übereilt zu kontern, sondern die Situation als Ganzes betrachten zu können. Aus beiden Blickwinkeln, im Leben wie im Schach.

Sie führen in Ihrer Schule Spielwochen durch, wo auch Schach gelernt wird.

Spielen tut den Kindern gut. Lernen zu verlieren, lernen zu gewinnen... Spiele sind allgemein ein wertvolles soziales Training. Ich bin selber erstaunt, was für ein Renner das Schachspiel schon in der ersten und zweiten Klasse ist. Ich übe öfter mit Schulklassen dieser Stufe Schach. Die Kinder lieben es bis auf wenige einzelne. Schach ist dabei sozusagen gender-neutral, Mädchen wie Jungs fühlen sich gleichauf begeistert. Und wenn man als Lehrperson in der Pause ein Schachbrett aufstellt, bin ich sicher, dass dieses nicht lange leer bleibt.

Das Niveau und Interesse in Schulklassen ist sehr unterschiedlich. Wie bringt man das alles unter einen Hut?

Das ist mein Alltag als Lehrerin. Kinder lehren einander gegenseitig, ermutigen einander und geben Tipps. Auf Schach bezogen: Zwei bessere Spieler ähnlichen Niveaus spielen miteinander und andere wollen lieber zuerst ein bisschen abschauen und lernen, bis sie sich selber ans Brett getrauen. Man hilft sich so gegenseitig, manchmal bewusst, aber vielfach auch unbewusst.

Schach ist sowohl analog als auch digital zum Beispiel mit Tablets spielbar. Bringt dies Ihres Erachtens mehr Möglichkeiten, den Nachwuchs für das Schachspiel zu begeistern?

Ich persönlich bin ein haptischer Mensch. Und ich denke, dass es die beste Lehrmethode ist, Gegenstände real zu sehen, sie berühren und halten zu können. Natürlich gibt es auch tolle Software für Kinder wie Fritz&fertig. Das Schöne ist: analog oder digital, Schach ändert sich nicht. Erfreuen tut mich auch immer das lebendige Geschehen an den Berner Gartenschach-Plätzen. Was dort auf und neben den recht unüberblickbaren Brettern vor sich geht, ist schlichtweg fantastisch und begeistert sicherlich nicht nur die erwachsenen Zuschauer.

Wie stehen Ihrer Erfahrung nach Eltern dem Thema «Schach in der Schule» gegenüber?

Also durch das Band weg sind alle Eltern begeistert und fasziniert, dass ein sieben- oder achtjähriges Kind ein so komplexes Spiel bereits lernen und verstehen kann. Ich habe aber auch schon gehört, dass Schach nicht gut für Kinder ist, da Schach ja Krieg sei. Dies betrachte ich eher als die nötige Ausnahme, welche die Regel bestätigt.

In der Schweiz kann momentan von einem Schachschul-Boom gesprochen werden und noch nie war das Niveau der Schweizer Schachjugend so hoch. Wie erklären Sie sich all dies?

Spontan gesagt: Kinder und Schulen haben sich von früher zu heute sehr verändert. Der Unterricht ist farbiger und abwechslungsreicher geworden, Frontalunterricht wirkt heute viel weniger. Früher war dies klassischer und die Kinder passten mehr oder weniger ins System. Es ist ein ganz neuer Zeitgeist. Und Schach als spielerisches Element, komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen, passt perfekt dazu. Es ist nicht wie Halma oder Eile mit Weile. Schach kann man in Geschichten verpacken und den Figuren Leben einhauchen. Ideale Eigenschaften für ein Spiel in der ersten und zweiten Klasse.

Wie gehen Vereine und Trainer denn am besten auf die Schulen zu und zu welcher Zeit?

Also zeitlich gesehen sind der Schulanfang und die Weihnachtszeit nicht ideal. Die Wintermonate sind da geeigneter. Eine «Patent-Zeitspanne» gibt es aber nicht, da fragt man am besten individuell bei der Schule an. Aber bitte konkret. Unpersönliche Werbezettel bringen nicht viel, es sollte immer mit einem Angebot und Erlebnissen verbunden werden.

Ihre Meinung: Wie realistisch ist es, dass Schach in der Schweiz zum Wahl-, oder sogar zum Pflichtfach wird?

Schach als Wahlfach ist sehr realistisch, das wäre sehr cool. Ein Pflichtfach wird Schach in naher Zukunft sicher nicht, der neu eingeführte Lehrplan wird aktuell nicht mehr verändert. Ich persönlich sehe aber einen grossen Wert dahinter, ob als Wahl- oder gar als normales Schulfach. Hier müsste man eine Schule finden, die bereit ist, dies Pilotmässig einmal auszuprobieren.

Warum gibt es aus Ihrer Sicht vergleichsweise so wenig schachspielende Frauen?

Vielleicht ist Schach einfach nicht sexy genug?! Frauen gelten allgemein als kommunikativer und Schach ist ein sehr stilles Spiel. Einen Unterschied in der Spielstärke zwischen Frau und Mann gibt es aber nicht. Vielmehr verlangt Schach gewisse Charaktereigenschaften. Es gibt Denker und Beweger, nicht alles ist jedermanns oder -fraus Sache.

Vielerorts wird behauptet, dass Schach die Denkfähigkeit fördere. Die «Studie von Trier» gilt dafür als repräsentativ. Können Sie dies als Lehrerin, die Schach auch schon im Unterricht behandelte, unterschreiben?

Ja. Diese Studie verwundert mich gar nicht. Kinder lernen viel. Sich fokussieren zu können, ist in jedem Fach notwendig und diese Fähigkeit wird mit Schach besonders trainiert. Das ganze Brett anzuschauen und nicht nur den gemachten Zug und sich der Konsequenzen einzelner Züge bewusst sein, ist eine sehr wertvolle Lebensschule.

Welche Interviewfrage inklusive Antwort würden Sie sich gern selber stellen?

Kann man Schachspiele auch im Werkunterricht kreieren? Ich denke, Figuren selber aus Ton herzustellen und diese nach Herzenslust zu designen, hat grosses Potenzial.

Ein Buch, das Sie uns ans Herz legen möchten (Es muss kein Schachbuch sein).

Das fantasievoll illustrierte Buch «Schach für Kinder» von Sabrina Chevannes begeistert mich nach wie vor. Es ist gespickt mit spannenden und abwechslungsreichen Geschichten und Lehrmethoden rund um das königliche Spiel.

Porträt

Jahrgang: 1967

Wohnort: Bern

Beruf: Lehrerin

« « « « « Zurück

Joel Adler Kommentar von Joel Adler |

Mit "Miteinbeziehen", "mit ein Grund" habe ich mich mehr oder weniger abgefunden, jetzt lese ich hier "miteinfliessen".
Wie konnte es so weit kommen?
Die deutsche Sprache geht vor die Hunde.

Radamel Kommentar von Radamel |

Ich fand das Interview sehr spannend. Weiter so! Ach ja: Bitte entschuldigen Sie mein nicht ganz flüssiges Deutsch.

m.beer Kommentar von m.beer |

joel hat natürlich recht. sprachlich etwas gar modern, auch für ex autor nzz. Lebensschule ist gut. positiv Engagement von Frau Nobs

Einen Kommentar schreiben