Monatsinterview mit Ulrich Eggenberger – «Ich freue mich, Daheimgebliebenen einen Eindruck zu vermitteln, wie Spitzenspieler, ‹Durchschnittler› und ‹Spätberufene› ein Turnier absolvieren»

von Oliver Marti (Kommentare: 7)

Engagierter Schach-Rentner: Ulrich Eggenberger.

om - Gründungspräsident eines Schachclubs, Landhockey-Nationalspieler und mehrfacher Schweizer Meister sowie seit nunmehr 16 Jahren Redaktor bei den Schweizer Schach Senioren. Errungenschaften, auf die Ulrich «Ueli» Eggenberger stolz zurückblicken kann. Seit 55 Jahren im Turnierschach aktiv, engagiert sich der pensionierte Primarlehrer immer noch leidenschaftlich für das Schweizer Seniorenschach.

Wie sind Sie zum Schachspiel gekommen und welche Rolle spielt Schach in Ihrem Leben?

Ich erlernte das Schachspiel mit Schulkameraden recht früh und spielte in der Folge während der ganzen Schulzeit und später im Lehrerseminar regelmässig, allerdings frei ohne Uhr und Notation. Später war ich als Gründungspräsident 1963 massgeblich an der Gründung des Schachclubs Niederrohrdorf beteiligt. Von da an begann ich mit dem Turnierschach. Allerdings war damals mein Hobby Nummer eins das Landhockeyspiel, wo ich mit Rotweiss Wettingen zehn Mal Schweizer Meister wurde und auch Nationalmannschaftsmitglied war. Da blieb nicht so viel Zeit für das Schach. Nach meiner Sportkarriere besuchte ich regelmässig Turniere, beispielsweise die Schweizerischen Einzelmeisterschaften, Biel oder Zürich. Im Seniorenalter trat ich gleich den Senioren Aargau (heute ein aktiver Mittwochnachmittag-Verein mit über 40 Mitgliedern) bei und war dort bald Präsident – bis zu meinem Umzug ins Berner Oberland. Bei den Schweizer Schach Senioren bin ich seit 2002 aktiv, als Schachredaktor für das Turnierbulletin und spiele jährlich alle Turniere (momentan 10), die wir an schönen Ferienorten organisieren. SMM und SGM spielte ich früher bei Baden und Niederrohrdorf, heute mit dem SK Thun und den Schachfreunden Thun. So bin ich oft am Schachbrett anzutreffen und schätze die «Schachfamilie» sehr.

Welche Länder/Orte haben Sie bereist, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben – und warum?

Mit den «Landhockeyanern» besuchte ich viele Länder in ganz Europa und auch Südafrika. Schachturniere besuchte ich eher selten im Ausland und wenn, dann in unseren Nachbarländern Österreich, Italien, Frankreich und Deutschland.

Welche Schachfigur spiegelt Ihren Charakter am besten wider und weshalb?

Ich wähle den Läufer, denn ich war bei den Landhockeyanern als linker Aussenläufer im Einsatz!

Sie sind in der Schweizer Schachszene sehr aktiv und engagieren sich als Redaktor auch bei den Schweizer Schach Senioren. Was motiviert Sie besonders an dieser Aufgabe?

Ich freue mich, bei den zahlreichen Turnieren dabei sein zu dürfen und den Turnierteilnehmern sowie den Daheimgebliebenen (unser Verein zählt 540 Mitglieder!) einen Eindruck zu vermitteln, wie Spitzenspieler, «Durchschnittler» und «Spätberufene» ein Turnier absolvieren. Ich wähle pro Bulletin meist mehrere Dutzend Diagramme aus gespielten Partien – leicht, mittel, schwierig – zum Studium ohne Brett und kommentiere noch etwa zehn Partien. Allerdings sind wir heute ein ganzes Bulletin-Team, das sich die Aufgaben teilt.

Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial im Seniorenschach, sowohl auf den Schweizerischen Schachbund als auch die Vereinigung der Schweizer Schach Senioren bezogen?

Seit jüngster Zeit haben wir mit Beat Binder ein Vorstandsmitglied unter uns, das sich drum kümmert, unseren Verein auch in der welschen Schweiz bekannter zu machen. Wir erhoffen uns davon eine grössere Zahl dieser Turnierteilnehmer. Mit dem SSB pflegen wir gute Beziehungen und können einige Seiten der «SSZ» regelmässig beliefern.

Wie erklären Sie einem Laien die Faszination des Schachspiels?

Jung und Alt sind gleichermassen in der Lage, sich zu messen im geistigen Wettstreit, unabhängig von Sprache und Kultur. Toni Wyss praktizierte dies im Aargau mit Kursen der Pro Juventute und Pro Senectute kombiniert!

Welche Personen haben Sie privat und in schachlicher Hinsicht am meisten geprägt?

Es waren und sind dies die Spitzenspieler in den Aargauer Vereinen Baden, Niederrohrdorf, Aarau – heute in Thun! Mit den internationalen Schachgrössen vergleiche ich mich nicht.

Die Mitgliederzahlen des Schweizerischen Schachbundes verhalten sich momentan stabil – mit welchen Massnahmen würden Sie einen etwaigen Trend nach unten stoppen?

Schön wäre es, wenn Schach in der Schule noch populärer würde. Ich habe in meiner 40-jährigen Lehrtätigkeit in Niederrohrdorf zahlreiche Schachkurse für Schüler auf freiwilliger Basis organisiert. Das Jugendschach muss gepflegt werden!

Warum gibt es aus Ihrer Sicht so wenig schachspielende Frauen?

War bei den jüngeren Teilnehmern in den Schulschachkursen der Mädchenanteil grösser, so liessen viele nach Schulaustritt das Ganze liegen! Weshalb, kann ich auch nicht erklären. Bei den Schweizer Schach Senioren ist der Frauenanteil auch minim. Wie freuen uns natürlich immer über Neueintritte!

Sie haben eine aufregende Epoche der Schachgeschichte samt ihrer Entwicklung zum Digitalen persönlich miterlebt. Wo sehen Sie persönlich Risiken und Möglichkeiten in Bezug auf Computerschach und die computergestützte Partieanalyse?

Persönlich meine ich, dass die Gefahr von «Spielsucht» besteht! Ich spiele lieber mit Menschen! Über den Computer bin ich allerdings froh bei meiner Bulletinarbeit.

Was haben Sie zuletzt neu erlernt und wofür können Sie sich begeistern?

Mit Weiss die Eröffnung 1. Sc3 (ich spiele 1. e4, 1. d4 und natürlich 1. f4 , was ich jahrelang ausschliesslich spielte). Mit Schwarz das Slawische Damengambit, für mich noch etwas Neuland, da ich sonst Französisch und Holländisch spielte.

Ihre liebste Schach-Erinnerung oder -Anekdote.

Einmal, in meiner Landhockeyzeit, spielte ich eine Halbzeit für Rotweiss Wettingen mit dem Krummstock und liess mich in der Pause auswechseln, um mit der Schachequipe von Baden zur SMM in die Innerschweiz zu fahren! Das eine tun und das andere nicht lassen!

Welche Interviewfrage inklusive Antwort würden Sie sich gerne selber stellen?

Etwas zur Jugendarbeit (Nicht nur im Schach): Bei den Landhockeyanern wurde ich bald Juniorenobmann bei Rotweiss Wettingen, später Mitglied im Zentralvorstand des Schweizerischen Landhockey-Verbands SLHV zuständig für die Einführung von Landhockey in Jugend + Sport und unterrichtete im Schulsport an den Schulen von Baden und Untersiggenthal das Wahlfach Landhockey, übrigens zum Lehrerlohn.

Ein Buch, das Sie uns ans Herz legen möchten (Es muss kein Schachbuch sein).

«Tschipo» von Franz Hohler. Ein Vorlesebuch für die Mittelstufe, das meine Schülerinnen und Schüler am Samstag jeweils mit Freude erwarteten!

Porträt

Geburtsdatum: 25.Oktober 1940
Wohnort: Beatenberg
Beruf: Primarlehrer

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beer Kommentar von beer |

ausgezeichnet

hattu e-mail ?

Jürg-Peter Baumann Kommentar von Jürg-Peter Baumann |

Es ist unglaublich was Ueli alles gemacht hat für's Schach! Seine Analysen und Schachrätsel sind hervorragend - die Arbeit, die dahinter steckt ist nur ansatzweise zu erahnen. Herzlichen Dank Ueli!

Peter A. Wyss Kommentar von Peter A. Wyss |

Mein Vater Toni Wyss feiert in diesen Tagen seinen 92. Geburtstag und wird sich ruesig freuen, wenn er deine Zeilen lesen wird. Herzlichen Dank - Schach verbindet jung und alt!

Anton Brugger Kommentar von Anton Brugger |

Lieber Ueli
Ein wunderbares Interview. Ganz der Ueli.

Ludin Hubert Kommentar von Ludin Hubert |

Immer super, Dich zu sehen. Deine Beiträge sind wirklich toll. Mach weiter so.

Hermann Singeisen Kommentar von Hermann Singeisen |

Lieber Ueli
Ich dachte, dass nur ich mich mit
1. Sc3 befasse !
Gruss Hermann

Chessmaster Kommentar von Chessmaster |

Ein fürchterlicher Anti Schachspieler der nur auf Remis spielt. Dafür ein herrvoragender Analysator und toller Mensch. Tolles Interview.

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