Schachrijar Mamedscharow gewinnt das Grossmeisterturnier am Bieler Schachfestival – bittere Schlussrunden-Niederlage für Nico Georgiadis gegen Magnus Carlsen

von Markus Angst

Nur wenig fehlte, und Nico Georgiadis hätte Weltmeister Magnus Carlsen am Bieler Schachfestival zumindest ein zweites Unentschieden abgeknöpft.

ma - Auf unnötige Art und Weise verlor der Schweizer Nico Georgiadis in der Schlussrunde des Grossmeisterturniers am Bieler Schachfestival gegen Magnus Carlsen.

Der mit Schwarz die Sizilianische Verteidigung spielende 22-jährige Schwyzer fand gegen den fünf Jahre älteren Weltmeister das richtige Rezept und stand lange Zeit besser. Doch im 46. Zug machte er in einem Endspiel mit Läufer gegen Springer und je fünf Bauern einen fatalen Bauernzug, der die Partie sogleich verlor.

Der vorbildliche Sportsmann Nico Georgiadis zeigte jedoch auch in einer seiner bittersten Stunden Grösse und stand Markus Angst wie abgesprochen kurz nach der Partie Red und Antwort.

Um ein Haar hätte es gegen Weltmeister Magnus Carlsen wiederum zu einem Unentschieden gereicht. Wie schmerzhaft ist diese Niederlage nach einer Partie, in der Sie phasenweise gar etwas besser gestanden sind?

Sehr, sehr schmerzhaft. Jeder Schachspieler weiss, was in einem vorgeht, wenn man so verliert. Dabei bin ich immer besser gestanden und habe gar Zugwiederholungen ausgeschlagen, weil ich überzeugt war, gewinnen zu können. Doch mit einem völlig naiven Blackout – ich habe einen Springerzug von Carlsen übersehen – habe ich die Partie noch aus der Hand gegeben. Das gibt es im Schach zwar ab und zu. Dass es mir aber just gegen den Weltmeister passierte, tut besonders weh.

Welche Rolle für die Ausgangslage in dieser Partie spielte die Tatsache, dass Carlsen tags zuvor gegen Mamedscharow verloren und damit keine Chance mehr auf den Turniersieg hatte?

Mir war klar, dass er wohl sauer sein würde und gegen mich unbedingt gewinnen wollte. Sein 2. Zug (Springer auf a3) war wohl eher ein Witz, und ich war bis auf den Blackout am Schluss auf gutem Wege, diesen Zug zu bestrafen.

1½ Punkte aus zehn Partien – wie fällt Ihre Bilanz nach Ihrem ersten Auftritt gegen gleich fünf Weltklasse-Spieler aus?

So kurz nach dieser bitteren Niederlage überwiegt natürlich die Enttäuschung. Aber ich habe die zweite Turnierhälfte recht gut gespielt. Wäre ich von Anfang an so aufgetreten, wäre mindestens ein Punkt mehr möglich gewesen.

Die Punkte sind das eine – die Qualität der Partien das andere. Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Bieler Partien?

Es gab Partien, da war ich aus der Eröffnung heraus chancenlos. Aber das kann passieren gegen solche Weltklasseleute. Wenn es jedoch zu einem Fight gekommen ist, habe ich gut mithalten können. Deshalb bin ich recht zufrieden.

Welches war Ihre beste Partie?

Die zweite gegen Magnus Carlsen – mit Ausnahme meines letzten Zuges…

Wie voll war Ihre Mailbox am vergangenen Mittwoch nach dem Unentschieden in Ihrer ersten Partie gegen Weltmeister Magnus Carlsen?

Ich bekam viele Gratulationen via WhatsApp – so wie sich aktuell wieder viele bei mir melden und mich aufzurichten versuchen.

Sie kamen direkt von den Schweizer Einzelmeisterschaften in Lenzerheide nach Biel und hatten dazwischen keine 48 Stunden Pause – eher ein Vor- oder Nachteil?

Im Prinzip eher ein Nachteil, doch ich habe die volle Energie aus Lenzerheide mit nach Biel genommen. Ich bin ja noch jung und mag solche Situationen aushalten!

Sie haben in Biel erstmals ein geschlossenes Turnier gespielt, in dem all Ihre Gegner übermächtig waren. Was macht eigentlich den Unterschied aus zwischen der Nummer 586 der Welt und Top-Spielern wie Magnus Carlsen oder Schachrijar Mamedscharow?

Sie sind in allen Belangen besser. Sie wissen mehr über Eröffnungen, sie rechnen schneller (weshalb ich oft in Zeitnot gekommen bin), und sie weisen eine grössere Stabilität auf. Am Anfang dachte ich, der Unterschied sei riesig. Aber wenn ich auf gutem Niveau gespielt habe, habe ich durchaus auch mein Potenzial unter Beweis stellen können.

Was macht es so schwer, gegen diese Cracks eine Partie zu gewinnen?

Sie machen kaum Fehler. Und wenn sie mal etwas schlechter stehen, verteidigen sie sich zäh. Doch zu solchen Stellungen kommt man selten…

Mal angenommen, Sie würden auch nächstes Jahr wieder nach Biel eingeladen. Würden Sie vorbehaltlos wieder zusagen?

Ja, sicher, ich möchte diese megacoole Erfahrung nicht missen.

Was nehmen Sie aus dem Bieler Grossmeisterturnier mit? Oder anders gefragt: Was bringen Ihnen die Erfahrungen aus den zehn Bieler Partien für die Olympiade in Batumi im kommenden September/Oktober?

Für mich war dieses Turnier eine positive Erfahrung, und ich profitiere bestimmt davon, gegen solche Top-Leute gespielt zu haben. Das Turnier hat mir vor allem gezeigt, auf welch hohem Niveau diese Weltklassespieler die Eröffnungen vorbereiten.

Magnus Carlsen wenigstens noch Zweiter

Magnus Carlsen sicherte sich dank des glücklichen Schlussrunden-Siegs den 2. Platz hinter dem schon nach neun Durchgängen als Turniersieger feststehenden Schachrijar Mamedscharow (Aser), der in der letzten Runde gegen Peter Swidler (Rus) remisierte. Swidler fiel wegen der schlechteren Wertung in den beiden direkten Begegnungen hinter den punktgleichen Maxime Vachier-Lagrave (Fr) auf Rang 4 zurück.

Das Meisterturnier gewann überraschend Suri Vaibhav. Der lediglich als Nummer 19 gestartete indische GM holte als Einziger des 117-köpfigen Feldes 7 Punkte aus neun Runden und verwies acht Spieler mit je 6½ Punkten auf die Ehrenplätze. Als bester Schweizer wurde IM Gabriel Gähwiler (Neftenbach/Nr. 38) mit 5½ Punkten 26.

Im Allgemeinen Turnier siegte der Koreaner Yunseo Kim mit 8 aus 9 vor dem Polen Ireneusz Lada (7½) und dem Surseer Nicolas Küng (7).

Alle Details zum Bieler Schachfestival finden Sie hier: https://www.bielchessfestival.ch/de/Homepage.html

Hier können Sie die Partie Carlsen - Georgiadis nachspielen: https://chess24.com/de/watch/live-tournaments/biel-grandmaster-tournament-2018/10/1/2

Resultate und Rangliste des Grossmeisterturniers: http://chess-results.com/tnr367474.aspx?lan=0&art=0

Resultate und Rangliste des Meisterturniers: http://chess-results.com/tnr367612.aspx?lan=0&art=0

Resultate und Rangliste des Allgemeinen Turniers: http://chess-results.com/tnr367614.aspx?lan=0&art=0

 

« « « « « Zurück