Monatsinterview IM Richard Forster – «Dass ich immer noch im A-Kader der Schach-Nationalmannschaft bin, stört mich zwar nicht, spricht aber nicht für die Schweiz» (Kopie)

a cura di Kurt Gretener

IM Richard Forster: «Schwindende Mitgliederzahlen sind ein Symptom, wichtiger ist ein breites Interesse am Schach, vor allem bei der Jugend.»

kg - Richard Forster ist Internationaler Meister, Mitglied das A-Kaders und hat die Schweiz mehrmals an Schach-Olympiaden vertreten. Er verfasste unter anderem die Chronik der SG Zürich zu deren 200-Jahr-Jubiläum und schreibt regelmässig für die «NZZ» über schachliche Grossanlässe. Er promovierte im Bereich der Computerlinguistik, ist Verantwortlicher für «Semantic Engineering» bei einem Startup-Unternehmen und lebt mit seiner Familie in Zürich.

Welche Rolle spielt Schach in Ihrem Leben?

Die schönste Nebenpflicht der Welt.

Welche Person(en) hat (haben) Sie am meisten geprägt? In schachlicher Hinsicht?

Genetisch meine Eltern, schulisch meine Lehrpersonen, lebensanschaulich meine Kinds- und Ehegattungspersonen, schachlich meine Trainer und Bezwinger (Schnittmenge nahezu leer), beruflich meine engsten Kollegen und Kolleginnen.

Wie erklären Sie einem Laien die Faszination des Schachspiels?

Schach ist wie Fussball, nur ohne Ball. Oder wie lautete das berühmte Podolski-Zitat?

Welche Schachfigur spiegelt Ihren Charakter am besten wider und weshalb?

Die Zero. Der (0,0)-Springer im Märchenschach, dessen einzige Zugmöglichkeit der Sprung auf der Stelle ist, erlaubt es seinem Besitzer, einen Zug auszusetzen und trotzdem an der Partie teilzunehmen.

Der Schweizerische Schachbund leidet seit Jahren an einem Mitgliederschwund – mit welchen Massnahmen würden Sie diesen Trend stoppen?

Mehr Ehrenmitglieder ernennen, denn die können ja nicht mehr austreten. Ernsthaft: Schwindende Mitgliederzahlen sind ein Symptom, wichtiger ist ein breites Interesse am Schach, vor allem bei der Jugend. Also: gute und spielerische Apps für Schacheinsteiger.

Warum gibt es so wenig schachspielende Frauen?

Vielleicht aus demselben Grund, aus dem in meiner vorherigen Antwort das «/-innen» am Satzende fehlte (Konventionen!).

Was und wann haben Sie zuletzt neu erlernt?

Ganz unerwartet in dieser Minute: Dass ein solcher Fragebogen weniger schlimm zum Ausfüllen ist als befürchtet. Ausserdem stimmt es mich hoffnungsfroh, wenn – wie vor wenigen Tagen geschehen – der FIDE-Präsident uns allen zeigt, dass man die Aufgabe einer aussichtslosen Partie am Tag darauf noch widerrufen kann. Es eröffnet dem Amt des Schiedsrichters im Schach ganz neue Perspektiven.

Was stört Sie in der Schweiz? Was würden Sie ändern, wenn Sie könnten?

Dass ich immer noch im A-Kader der Schach-Nationalmannschaft bin, stört mich zwar nicht, spricht aber nicht für die Schweiz. Mir ist bewusst, dass ich diesem Missstand ohne Konjunktiv leicht abhelfen könnte.

Was bewundern Sie?

Intellektuelle und moralische Ehrlichkeit in Menschen, die auch in widrigen Zeiten nicht nach dem Winde wehen und ihre Verantwortung wahrnehmen.

Welche Länder/Orte haben Sie bereist, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben – und warum?

Jerusalem. Nirgendwo sonst lassen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sowie die grossen Religionen und die wichtigsten Konflikte der Jetztzeit so eindrücklich und unmittelbar auf engstem Raum erleben.

Welchen Traum würden Sie sich gerne noch erfüllen?

Die Schlagfertigkeit entwickeln, solche Fragen spontan gut zu beantworten.

Abschliessende Frage: Wenn Sie sich auf einen Namen festlegen müssten: Wer und wann wird Magnus Carlsen als Schachweltmeister beerben? Weshalb?

Fabiano Caruana. Weshalb? Nicht weil er mehrere Jahre bei Winterthur in meiner Mannschaft gespielt hat, sondern weil ich es Ende Dezember in der nach 123 Jahren allerletzten «NZZ»-Schachspalte leichtfertig so prognostiziert habe. Aus intellektueller Ehrlichkeit ist diese Antwort zu wiederholen oder alternativ eine Begründung für eine abweichende Antwort zu liefern. Dazu wiederum sind gerade weder Platz noch plausible Argumente zur Hand...

Richard Forster im Porträt

Geburtsdatum: 18. Januar 1975.

Wohnort: Zürich.

Beruf: Wirtschaftsinformatiker, Schachjournalist, Schachhistoriker.

Titel: Internationaler Meister (seit 1997).

Grösste Erfolge: Schweizer Schülermeister 1990, Schweizer Juniorenmeister 1992, Vize-Schweizer-Meister 1997, Team-Cup-Sieger 2000 (mit Echallens), Geteilter 1. Rang und 1. GM-Norm beim Open Genève 1997, 2. GM-Norm im Herren-Titelturnier an der SEM 2010.

« « « « « Torna indietro