Monatsinterview mit Christian Issler – «Im Leben braucht man drei Standbeine, damit, wenn eines wegbricht, man immer noch gut stehen kann»

a cura di Markus Angst

Christian Issler: «Ein Leben ohne Schach kann ich mir fast nicht mehr vorstellen, denn schon fast 60 Jahre lässt mich dieses Spiel nicht mehr los.»

ma - Christian Issler ist Präsident der Schachgesellschaft Zürich, dem ältesten Schachklub der Welt, zu deren 200-Jahr-Jubiläum 2009 er es schaffte, acht Weltmeister für eine Simultanveranstaltung nach Zürich zu lotsen. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder, arbeitete während 33 Jahre als Kinderarzt und möchte sich nach seiner Pensionierung (noch) mehr dem Schach widmen.

Welche Schachfigur spiegelt ihren Charakter am besten wider und weshalb?

Am ehesten der Turm. Er verkörpert für mich Stabilität, bewegt sich geradlinig und unterstützt seine Nächsten.

Welche Person(en) hat (haben) Sie am meisten geprägt? In schachlicher Hinsicht?

Privat zuerst mein Vater, später meine Familie mit den drei Kindern. Schachlich imponierte mir in jungen Jahren der Stil von Bobby Fischer und Garry Kasparow. Später wurde mein Spiel vom Unterricht bei Werner Hug geprägt.

Welche Rolle spielt Schach in Ihrem Leben?

Eine sehr grosse! Ein Leben ohne Schach kann ich mir fast nicht mehr vorstellen, denn schon fast 60 Jahre lässt mich dieses Spiel nicht mehr los. Nebst 1840 Turnierpartien habe ich unzählige Stunden beim freien Spiel und seit über 50 Jahren mit Vorstandsarbeit bei Birseck, Zollikon und der SG Zürich verbracht. Das Sprichwort «Im Leben braucht man drei Standbeine, damit, wenn eines wegbricht, man immer noch gut stehen kann» gilt auch für mich ganz klar: die Familie, der Beruf und eben das Schach. Nachdem meine Kinder schon länger erwachsen geworden sind und ich meine Kinderarztpraxis vor anderthalb Jahren übergeben habe, hat das Schach vielleicht noch etwas mehr Gewicht bekommen.

Wie erklären Sie einem Laien die Faszination des Schachspiels?

Ich vergleiche das fast ein wenig mit einer Sucht. Wer sich etwas in dieses Spiel vertieft, ist so fasziniert, dass er kaum mehr davon loskommt. Typisch ist für mich die Beobachtung, dass ein Schachspieler nie an einem Brett vorbei laufen kann, ohne einen Blick auf die Stellung zu werfen. Auch ist es faszinierend, wie dieses Spiel in der ganzen Welt Verbindungen möglich machen kann – der Leitspruch «gens una sumus» trifft das gut.

Der Schweizerische Schachbund leidet seit Jahren an einem Mitgliederschwund – mit welchen Massnahmen würden Sie diesen Trend stoppen?

Ich habe natürlich auch kein Patentrezept. Der Mitgliederschwund ist aber kein schachspezifisches Phänomen, sondern auch in vielen anderen Vereinen zu beobachten. Heute sind die Freizeitmöglichkeiten so vielfältig geworden, dass das früher verbindende Vereinsleben nicht mehr so stark gefragt ist. Kontakte werden heute eher über die vielen elektronischen Kommunikationsmittel gepflegt. In letzter Zeit ist aber ein leichter Umschwung zu beobachten, und auch für unseren Verband könnten sich dank den verschiedenen Initiativen im Nachwuchsbereich wieder etwas bessere Zeiten ankündigen. Sicher sind auch die Bestrebungen im Schulschach ein lohnenswerter Weg. Je mehr Jugendliche das Schachspiel entdecken, desto grösser ist die Chance, dass von diesen eine Anzahl von diesem Spiel gefesselt werden und einige dann doch in einen Klub eintreten. Ein gutes Beispiel ist unsere Schachgesellschaft Zürich, die ja lange als überalterter Klub galt, heute aber ein Drittel der Mitglieder im Juniorenalter hat. Schwieriger ist es, diese dann auch im Erwachsenenalter im Klub behalten zu können, da in der heutigen Berufswelt bei vielen jungen Erwachsenen oft nur wenig Spielraum für ein engagiertes Hobby besteht – vor allem wenn auch gleichzeitig noch ein neues Familienleben entsteht.

Warum gibt es so wenig schachspielende Frauen?

Im Gegensatz zu vielen Sportarten sind keine körperlichen Gründe verantwortlich. Eine These besagt jedoch, dass möglicherweise das räumliche Denken im Gegensatz zu den kommunikativen Fähigkeiten bei Frauen etwas weniger stark ausgeprägt sei als bei Männern und sich die Frauen deshalb auch weniger für das Schachspiel interessierten. Zudem sind sicher auch kulturelle Gründe dafür verantwortlich. Das Schachspiel wurde von jeher primär von den Männern gespielt und das Wissen nicht an die Töchter weiter gegeben. Aber mit dem Wandel des Frauenbildes im letzten Jahrhundert hat sich auch im Schach eine Änderung angebahnt. Heute haben immer mehr Frauen und Mädchen das Schachspiel entdeckt, und an den Turnieren sieht man immer mehr starke Spielerinnen – auch wenn dieses wohl immer eher mehr ein männlicher Sport bleiben wird.

Was und wann haben Sie zuletzt neu erlernt?

Nebst meinem intensiven Beruf als Kinderarzt und den schachlichen Aktivitäten blieb mir kaum Zeit um etwas Neues zu erlernen. In den letzten Jahren habe ich mir einzig geringe Grundkenntnisse im Golfspiel angeeignet, und seit der Praxisübergabe mache ich meine ersten Erfahrungen als Hundehalter.

Für was können Sie sich begeistern?

Aktuell für Teo, unseren allerliebsten Cavalier King Charles.

Was stört Sie in der Schweiz? Was würden Sie ändern, wenn Sie könnten?

Eigentlich wenig. Wir dürfen in einem der schönsten Länder in Freiheit und Frieden leben, haben gute Bildungsmöglichkeiten und geniessen im Gegensatz zu vielen anderen auf dieser Welt einen guten Lebensstandard. Wenn mich etwas stört, dann eben, dass viele von uns oft unzufrieden und zu wenig dankbar sind für das, was wir haben.

Welche Länder/Orte haben Sie bereist, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben – und warum?

Ich liebe die südländische Mentalität. Meine eindrücklichsten Erlebnisse waren die Besteigung des Kilimandscharo und der Aufenthalt in den Tierreservaten Tansanias und Kenias. Unvergessen auch meine Reisen nach Südamerika: Brasilien mit den Naturparadiesen Pantanal und Amazonas, Ecuador mit den Galapagosinseln, Bolivien mit dem Trekking in den Anden, und immer gerne gehe ich auch in die Toskana.

Welchen Traum würden Sie sich gerne noch erfüllen?

Ganz gerne würde ich ohne ständige Verpflichtungen und bei hoffentlich guter Gesundheit noch etwas auf Reisen gehen und natürlich auch noch weiter auf meinem bescheidenen Niveau Schach spielen können.

Abschliessende Frage: Weshalb sollte man sich das unter Ihrer Leitung organisierte Kortschnoi Memorial vom 13. bis 17. April nicht entgehen lassen?

Es bietet sich für alle Schachfreunde eine einmalige Gelegenheit einerseits Spieler der Weltspitze hautnah zu beobachten und im gleichen Saal des Kongresshauses gleichzeitig aktiv an einem stark besetzten Open teilzunehmen. Da das Turnier über Ostern stattfindet, müssen zudem keine Ferientage geopfert werden.

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