Erfindung und Verbreitung des Schachspiels

Persien

Wahrscheinlich schon gegen das Ende des 6.Jahrhunderts n. Chr. Ist das indische Kriegsspiel nach Persien gelant. Auch damit sind Legenden verbunden, vor allem die Erzählung des Firdusi. Er schildert, wie der persische König Chosroes I. (532-578) eine indische Gesandtschaft empfängt. Sie bringt ihm ausser einer Fülle der kostbarsten Geschenke ein wundervolles Schachbrett mit den dazugehörigen Figuren. Ihr Führer überreicht ihm dieses Spiel mit der Aufforderung, es den Weisen seines Hofes vorzulegen. Wenn es ihnen gelänge, die Regeln dieses schönen Spiels zu ergründen und die Aufstellung der Figuren sowie ihre Gangart anzugeben, so wäre der indische König dann bereit, jeden ihm auferlegten Tribut zu zahlen. Sollten aber die Weisen von Iran dazu nicht imstande sein, dann seien sie den Weisen des indischen Reiches nicht ebenbürtig; dann müsse der persische König dem indischen tributpflichtig werden. Denn die Weisheit stehe höher als jedes andere Gut der Menschheit. Nachdem der Gesandte noch die Namen der Figuren genannt und erläuternd hinzugefügt habe, das Spiel sei ein Abbild des Krieges, verlangt Chosroes sieben Tage Bedenkzeit. Am achten solle die Entscheidung fallen. Die in Versform gekleidete Erzählung schildert nun ausführlich, wie sich der König mit seinen Weisen berät, wie sie hin und her versuchen, und wie es ihnen misslingt. Bis endlich sein vertrauter Rat sich vermisst, er ganz allein wolle das Geheimnis ergründen. Und wie es ihm gelingt. Zunächst entdeckt er die richtige Aufstellung der Figuren, dann aber errät er auch noch ihre Gangart und glückstrahlend weist er alles dem König vor. Es ist "das getreue Abbild eines Schlachtfeldes", was er vor ihm enthüllt.

Der Hof versammelt sich, der Gesandte erscheint, und der König lässt ihn die Botschaft wiederholen, die sein Herrscher ihm aufgetragen hat. Nun bringt der glückliche Rat das Spiel herbei und ordnet die Figuren auf dem Brett. In der Mitte der Schlachtordnung stellt er den könig auf; rechts und links vor ihm die beiden Teile der Armee und vor ihnen die Fussgänger. Den weisen Rat, der während der Schlacht den König geleiten soll, stellt er neben diesen, zu ihren beiden Seiten die Kriegselefanten, alsdann die beiden Schlachtrosse mit ihren Reitern und endlich zu deren Seiten die beiden Rochen. Der bestürzte Gesandte kann sich nicht erklären, wie solche Leistung einem Menschen hat gelingen können. "Nie hat dieser Mann ein Schachbrett gesehen", ruft er aus, "keinen der Weisen Indiens hat er gesprochen, ich selber habe ihm weder entwas angedeutet noch seine Aufgabe irgendwie erleichtert; wie hat er das erraten können!"

Doch zurück zur Wirklichkeit. Aus dem Tschautranga der Inder - das gleiche Wort wurde übrigens auch für das indische Heer gebraucht, wobei tschatur vier und anga Teile, Abteilung bedeutete (wohl in Anlehnung der vier Waffenarten Elefanten, Pferde, Schlachtwagen und Fussoldaten) - machten die Perser Tschatrang und sie nannten die Hauptfigur Schah nach ihrem Grosskönig, was später zum heutigen Namen Schach führte.

Das persische Tschattrang war vornehmlich ein Beraubungsspiel. Es galt, alle Figuren des Gegners zu erobern. Auch konnte ein Sieg errungen werden, wenn man den gegnerischen König matt oder patt setzen konnte. Der König (Schah), der Springer (Faras) und der Turm (Rukh) hatten die gleiche Gangart wie heute. Das "En-passant-Schlagen" und die Rochade waren noch unbekannt. Die Dame (Fersan) war noch eine äusserst schwache Figur, denn sie durfte nur schräg bis auf das nächste Feld ziehen. Der Läufer oder Elefant (Fil) konnte ebenfalls nur schräg ziehen - aber springend - bis auf das übernächste Feld. Den Bauern oder Fussgängern (Baidag) war der heutige Doppelschritt noch nicht erlaubt. Dagegen das Schlagen feindlicher Figuren auf den schrägen Feldern nach vorn. Diese Regeln bzw. Gangarten liessen noch kein besonders kombinationsreiches Spiel zu.

Auszüge aus "1889-1989 100 Jahre Schweizerischer Schachverband", geschrieben von Alex Crisovan, erschienen 1989, Zürcher AG (Zug)