Interview Oliver Kurmann

Interview mit IM Oliver Kurmann: «Klar ist der GM-Titel mein Traum, aber Schach ist ja nicht mein ganzer Lebensinhalt»

Zum zweiten Mal innerhalb von neun Jahren holte IM Oliver Kurmann in der Nationalliga A der Schweizerischen Mannschaftsmeisterschaft (SMM) eine GM-Norm. Es war dies seine insgesamt dritte. «SSZ»-Chefredaktor Markus Angst unterhielt sich mit dem 37-jährigen Luzerner und fragte ihn unter anderem, wie lange die Schweizer Schach-Community auf den achten Grossmeister neben Joe Gallagher, Vadim Milov, Lucas Brunner, Yannick Pelletier, Florian Jenni, Noël Studer und Nico Georgiadis warten muss.

«SSZ»: Erst schafften Sie Ihre dritte Grossmeister-Norm dank eines Remis gegen GM Lothar Vogt, dann konnten Sie dank des 4:4-Unentschiedens gegen Zürich als Captain von Luzern auch noch den Meisterpokal in Empfang nehmen – der 12. Dezember 2021 wird wohl als einer der denkwürdigsten Tage in Ihrer Erinnerung bleiben.

Oliver Kurmann: Das kann man wohl sagen – es war fast etwas zu viel auf einmal. Der Tag war nicht nur sehr schön für mich, weil ich wahnsinnig erleichtert war, endlich die dritte GM-Norm geschafft zu haben, sondern auch für unser junges Luzerner Team.

Was kam für Sie in dieser bis zum Schluss spannenden Nationalliga-A-Saison überraschender: Ihre GM-Norm oder der Luzerner Meistertitel?

Die GM-Norm bahnte sich an, weil ich seit einiger Zeit konstant auf einem Grossmeister-Level spiele. Der Meistertitel kam jedoch viel überraschender, weil wir in der Nationalliga A eher der Underdog waren.

Sie sprechen es an: Auf der Basis der Top-10-Spieler der Mannschaftslisten war die Schachgesellschaft Luzern – den in dieser Saison nicht zum Einsatz kommenden topgesetzten deutschen Grossmeister Robert Hübner miteingerechnet – «nur» die Nummer 3 in der Nationalliga A. Was gab Ihrer Ansicht nach den Ausschlag, dass Ihr Team trotzdem den Titel holte?

Die Startrangliste erwies sich im Nachhinein als noch verfälschter, weil ja nicht nur Robert Hübner nicht spielte, sondern mit Roland Lötscher und Georg Fröwis zwei wichtige Spieler nur drei bzw. zwei Partien bestritten. Insofern waren wir noch mehr Aussenseiter. Dass es trotzdem zum Titel gereicht hat, lag zum einen daran, dass wir einen ausgezeichneten Teamspirit hatten und zum andern unbekümmert spielen konnten. Dazu brauchte es, weil viele Matches sehr eng waren, auch eine Portion (Wettkampf-)Glück. Ein Schlüsselmatch war zweifelsohne der 4½:3½-Sieg gegen Riehen in der 6. Runde…

…dem Luzern 24 Stunden später – nach notabene sechs Siegen in Serie – eine klare 2½:5½-Niederlage gegen Winterthur folgen liess. Zudem erlitten Sie selber gegen IM Richard Forster (Anmerkung: siehe Partieanalyse auf Seite 16) eine empfindliche Niederlage. Wie haben Sie persönlich und das Team sich von diesem Tiefschlag mit Blick auf die Doppel-Schlussrunde wieder erholt?

Als Team haben wir uns keine grossen Gedanken gemacht, die verdiente Niederlage mit Fassung getragen, schnell abgehakt und wieder nach vorne geschaut. Ich selber habe mich über die verlorene Partie geärgert, aber die Ursache war einfach zu eruieren. Zum einen ging ich davon aus, dass das Figurenopfer nicht korrekt ist. Zum anderen fühlte ich mich nach 5½ Punkten aus sechs Partien in der SMM «unsterblich» und wollte schlicht zu viel. Sonst hätte ich pragmatisch gespielt und die Figur ohne Verlustrisiko sofort zurückgegeben. Dabei war das Figurenopfer korrekt, was unglaublich ist, da diese Variante als eine der Hauptvarianten für Weiss mit einem sicheren Vorteil galt. Zudem zog Richard Forster gegen Ende der Partie bei beidseitiger knapper Zeit einen Riesenzug aus dem Köcher, weshalb sein Sieg absolut verdient ist.

Lesen Sie das komplette Interview in «SSZ» 1/22!

 

Oliver Kurmann: «Es war fast etwas zu viel auf einmal.»