Die beendete Partie

von Christine Zoppas (Kommentare: 5)

cz - Da es bei Partieende öfters zu Missverständnissen kommt, möchte ich in diesem Beitrag zur Regelecke auf dieses Thema eingehen.

Eine Partie ist sofort beendet durch:

  • Matt
  • Patt
  • Remisvereinbarung
  • Tote Stellung (kein Hilfsmatt möglich)
  • Aufgabe

Dies bedeutet, dass bei Eintritt eines der o.a. Ereignisse die Partie sofort beendet ist und keine Proteste mehr möglich sind, z.B. wegen falsch eingestellter Zeit, regelwidriger Züge etc.

Bei Matt, Patt und toter Stellung kommt hinzu, dass der Zug, der die Stellung herbeigeführt hat, regelgerecht sein muss. Dieser Zug muss ausgeführt sein, aber die Uhr muss nicht gedrückt sein, da dieser Zug nämlich auch ohne Ingangsetzung der gegnerischen Uhr als abgeschlossen gilt. Beobachtet der Schiedsrichter dies, so muss er von sich aus in die Partie eingreifen. Bei Reklamation muss der Schiedsrichter ebenfalls tätig werden.

Alle weiteren Vorgänge in dieser Partie nach o.a. Ereignissen sind bedeutungslos.

Eine Partie ist beendet:

  • Nach zwei abgeschlossenen, regelwidrigen Zügen eines Spielers
  • Spieler erscheint später als die Karenzzeit zur Partie
  • Bei fünfmaliger Stellungswiederholung oder mindestens 75 Zügen ohne einen Bauernzug oder geschlagener Figur

Hier wird die Partie durch Schiedsrichterentscheidung beendet. Wichtig ist, dass der Schiedsrichter von sich aus auch ohne Reklamation in die Partie eingreifen muss, wenn er o.a. Sachverhalte beobachtet. Bei der Karenzzeit hat der Schiedsrichter einen Ermessensspielraum, bei den anderen Ereignissen nicht.

Eine Partie ist beendet, wenn ein Spieler die geforderte Anzahl von Zügen nicht in der erforderlichen Zeit abschliesst und der Schiedsrichter diesen Sachverhalt beobachtet oder ein Spieler zurecht darauf hinweist. Hier muss der Schiedsrichter auch ohne Reklamation in die Partie eingreifen.

Eine Partie ist beendet nach stattgegebener Remisreklamation wegen dreimaliger Stellungswiederholung oder 50 Zügen, ohne dass ein Bauer gezogen wurde oder eine Figur geschlagen wurde. Hier darf der Schiedsrichter erst nach Reklamation in die Partie eingreifen.

Michael Hein

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ARNOLD Hermann Kommentar von ARNOLD Hermann |

Ich finde es gut, dass dieser "Artikel" veröffentlicht wurde.

Freundliche Grüsse
H. Arnold

Hans Kommentar von Hans |

Herzlichen Dank für diesen erhellenden Artikel. Ich hätte in diesem Zusammenhang ebenfalls eine regeltechnische Frage welche sich jedoch um den regeltechnischen Begriff des "Starts" einer Schachpartie handelt:
Mein Schachidol Iwan Tscheparinov hatte einst eine Partie gegen den früheren Weltmeisterschaftskandidaten Nigel Short aufgrund Weigerung zum Handshakes zum Beginn der Partie verloren. Nun widerfährt mir selbst desöfteren beim Handshake vor der Partie der sogenannte "tote Fisch" meines Gegenübers. In meinen Augen handelt es sich dabei ebenfalls um eine Weigerung des Handshakes. Ich habe dies nun schon desöfteren beim jeweilig diensthöchsten Schiedsrichter angezeigt. Selbst auf internationalem Parkett ist die Reklamation des "dead fish" aber nur mit fragenden Blicken des Arbiters entgegnet wurden. Handelt es sich hierbei um eine Lücke im Regelkatalog oder vielmehr um Wissenslücken der jeweiligen Regelrichter?

Josef Nemecek Kommentar von Josef Nemecek |

Lieber Hans, gemäss FIDE-Schachregeln gibt es keine Pflicht, seinem Gegenüber die Hand zu schütteln. Man könnte höchstens auf "Unsportlichkeit" plädieren (was im erwähnten Fall ja auch - zunächst aber auch inkorrekt - angewandt wurde), welches jedoch in den FIDE-Turnierregeln "für Turniere auf höchstem Niveau" etwas unscharf definiert ist. Die Empfehlung lautet, sich kulturell üblich zu begrüssen. Im internationalen Umfeld macht es wenig Sinn, eine westliche Tradition als Standard festzulegen, zumal es auch Kulturen gibt, in welchen das Händeschütteln unüblich oder verpönt ist. In der aktuellen mysophoben Situation ganz zu schweigen. Bei normalen Turnieren gilt jedoch: Anstand und Höflichkeit ist in der heutigen Zeit etwas in Vergessenheit geraten, aber einfordern kann man sie auch nicht. Darum würde ich mich von "toten Fischen" oder "kalten Chippolata-Quintetts" nicht beeindrucken lassen. Es ist also keine Lücke, weder im Regelkatalog, noch im Wissen der Schiedsrichter. Sondern schlicht nur auf höchstem Level anwendbar und liegt im Ermessen der Schiedsrichter.

Daniel Bächli Kommentar von Daniel Bächli |

Hallo Hans, Josef

Ein wichtiger Nachtrag: Natürlich gibt es die Pflicht, den Handschlag zu vollziehen, wenn bestimmte Rahmenbedingungen vorliegen, soweit mein Verständnis! Die Frage betrifft aber einen Grenzfall. Und zwar den Fall was passiert, wenn kein "üblicher" Handschlag gemacht wird.

Wenn ein Handschlag für beide Spieler kulturell üblich ist, führt eine tatsächliche Verweigerung des Handschlags zum Verlust der Partie; falls der Schiedsrichter diesen vom Spieler noch einmal einfordert und der Spieler diesen nochmals verweigert. Dies steht richtig nicht in den «Laws of Chess», sondern beruht auf einer Richtlinie des FIDE Presidential Board vom Juni 2007 im Bezug auf die «FIDE Code of Ethics»:
https://web.archive.org/web/20080122002123/https://www.fide.com/news.asp?id=1391

Genau diese Richtlinie wurde vom Appeals Committee in der erwähnten Partie Short – Cheparinov 2008 angewandt. Der Schiedsrichter hat den Handschlag nicht nochmals eingefordert, deshalb war die anfänglich ausgesprochene Disqualifikation unzulässig. Dies lässt sich ausführlich im Internet nachlesen, z. B.:
https://en.chessbase.com/post/wijk-r08-cheparinov-forfeits-on-handshake-appeals

Diese Richtlinie wurde bis heute nicht widerrufen, soviel ich weiss. Sie war z. B. Bestandteil der Ausschreibung der FIDE World Chess Grand-Prix Series 2008 – 2009, wahrscheinlich auch folgender Austragungen sowie der FIDE Blitz- und Schnellschachweltmeisterschaften von 2012 bis und mit 2017.

Was nun passiert, wenn kein üblicher Handschlag gemacht wird, also z.B. ein «dead fish» ist eine schwierige Frage. Die oben zitierte Regelung umfasst diesen Fall nicht. Über diese Situation muss der Schiedsrichter/die Schiedsrichterin gemäss Regel 2.2.4 der «FIDE Code of Ethics« situativ entscheiden, nicht aber über die tatsächliche Verweigerung. Die tatsächliche Verweigerung ist geregelt und betrifft alle Stufen, meiner Meinung nach. Ich freue mich auf interessante Entgegnungen!

Josef Nemecek Kommentar von Josef Nemecek |

Hallo Daniel

Danke für Deine Anmerkungen und Links. Diese bestätigen meine Ausführungen, da sich die Richtlinie des «Presidential Boards» auf «FIDE Tournaments» und «FIDE Matches» bezieht, also auf «Turniere höchster Ebene», welche von der FIDE selbst oder im Auftrag der FIDE durchgeführt werden. Und bei FIDE-gewerteten Turnieren (Artikel 1.4 Ethik-Code).

Bei Artikel 2.2.4 des Ethik-Codes geht es um «Courtesy» (Höflichkeit) und «Etiquette» sowie «Social Standards», beziehungsweise um «Failure to Comply» (Verweigerung). Bei uns werden Hände geschüttelt, und im Alltag ärgere ich mich auch ein wenig über tote Fische und kalte Würste, welche einem in die Hand gedrückt werden. Allerdings weiss ich auch, wie sich ein Händedruck eines Handwerkers anfühlen kann.

Gibt es eine Norm, wie stark der Druck in Newton sein muss? Darf man auch freundlich Lächeln (welcher Radius?) und Kopfnicken (wie lange?), sich verneigen (welcher Winkel?), sich verbal begrüssen (wie laut?) statt einem Händedruck? Muss man sich in arabischen Ländern umarmen und abknutschen lassen? Ist es unhöflich, sich vor und nach dem Händedruck die Hände zu desinfizieren?

Es geht um formale Höflichkeit und Anstand, den darf man erwarten. Spitzfindigkeiten und Befindlichkeiten gehören jedoch ins Feld der Psychologie und Kommunikationswissenschaft. Bei der Kindererziehung achte ich auf das Höflichkeits-Quartett (Grüezi/Bitte/Danke/Wiedersehen), aber auch auf Resilienz, indem ich sie auf die Welt vorbereite statt die Welt für sie anpasse. Wer sich an einem mürrischen oder schlecht gelaunten Gegner stört, sollte sich selbst fragen, wieso das so ist und an sich arbeiten.

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