«Generation CHess» – Urs Fazis: «Als Neumitglied fühle ich mich im Schachklub sehr schnell integriert»

von Markus Angst

Urs Fazis: «Beim Schach ist man grundsätzlich als Einzelkämpfer unterwegs. Umso bedeutungsvoller ist es, wenn man sich in einem Verein persönlich vernetzen und austauschen kann.»

ma - 27 Jahre lang war Urs Fazis schachabstinent. 2021 entschied er sich zu einem Comeback und trat dem Schachklub Olten bei. Was ihn dazu bewogen hat und was ihm am SKO besonders gefällt, lesen Sie im folgenden Interview.

Wann und wie sind Sie zum Schach gekommen?

Urs Fazis: Meine Mutter brachte mir das Schachspiel bei, als ich etwa zehn Jahre alt war. Schon damals faszinierte mich die Unendlichkeit des Universums an Möglichkeiten und Optionen dieses strategischen und taktischen Spiels. Ende der 70er-Jahre erhielt ich einer der ersten Schachcomputer, die damals am Markt erhältlich waren: Chess Champion MK1. Dieses Gerät und seine Nachfolger wie beispielsweise Mephisto beschäftigten mich zweitweise Tag und Nacht. Ein Vereinsbeitritt kam damals für mich (noch) nicht in Frage, da mich Bewegungssportarten wie Fussball und Leichtathletik mehr interessierten.

Aber dann haben Sie sich doch zu einem Klubeintritt entschieden.

Ja, 1987, nach Ende meiner Zeit als Leichtathlet, wurde ich Mitglied bei den Schachfreunden Reichenstein.

Und weshalb sind Sie sieben Jahre später wieder ausgetreten?

Mit dem Umzug von Basel nach Olten 1994 verliess ich den Verein. Die beruflichen Herausforderungen hatten damals Priorität, so dass ich keine Absicht und auch kaum die Zeit hatte, dem Schachklub Olten beizutreten – auch wenn mir der Verein von Begegnungen in der Schweizerischen Mannschaftsmeisterschaft (SMM) bekannt war.

Im vergangenen Jahr haben Sie dann doch ein Comeback im Schachklub Olten gegeben. Was hat Sie dazu bewogen?

Ich spielte rund 27 Jahre kein Schach mehr und verfolgte die Ereignisse im Spitzenschach nur noch am Rande. Während des Lockdowns, einhergehend mit einer gewissen Reizüberflutung an Informationen, machte mich eine Kollegin, deren Söhne Schach spielen, auf Lichess aufmerksam. Ich entdeckte die Leidenschaft zum Schach sofort wieder, obschon ich mit vielen Themen nach der langen Abstinenz nicht mehr vertraut gewesen war. Nachdem ich wieder etwas Sicherheit gewonnen hatte, nahm ich mit dem Oltner Vereinspräsident Thomas Schmidt, den ich seit vielen Jahren persönlich kenne, Kontakt auf.

Warum hat es Sie als Basler seinerzeit überhaupt nach Olten verschlagen?

Es war sozusagen ein verkehrstechnischer Kompromiss. Meine Frau und ich waren beruflich in Basel, Zürich und Luzern tätig. Zudem hat mich meine Begeisterung für das Eishockey immer wieder nach Olten geführt. In bester Erinnerung habe ich die EHCO-Matches mit Erich Kühnhackl und Jim Koleff im verrauchten Kleinholz – das war legendär!

Haben Sie nach Ihrem Comeback (schnell) wieder zu Ihrer alten Spielstärke gefunden, oder hat es eine gewisse Zeit gedauert, bis Sie wieder ins Schach reingekommen bist?

Ich nehme den Schachsport als harte Arbeit wahr, zumal es mir auch als Schüler und Student nie leichtgefallen ist, schnell und einfach zu lernen. Zudem sind 27 Jahre eine lange Zeit, in der man die Basics zwar nicht vergisst, aber kaum mehr den geübten Zugang zu kreativen Spielideen hat.

Können Sie etwas zu Ihrer Spielstärke sagen – damals und heute?

Ich vermute, dass ich mit Spielpraxis noch Luft nach oben habe, möchte aber meine Ziele nicht allzu sehr an ELO-Punkten festmachen. Im Vordergrund stehen für mich die Identifikation von Themen, in denen ich mich verbessern kann und für die ich geeignete Trainingsmethoden finden will.

Ihre letzte ELO-Zahl in der Schweizer Führungsliste datiert aus dem Jahr 1994 und lag bei 1729.

Das habe ich noch schwach in Erinnerung. Ich frage mich jedoch, ob dieses Rating heute – bei all den vielfältigen und vor allem digitalen Trainingsmöglichkeiten – nicht tiefer einzustufen wäre.

Hat Ihnen während der vereinslosen Zeit etwas gefehlt?

Mit Schach beschäftigte ich mich ja nicht mehr. Aber mir fehlte in meiner Freizeit das kompetitive Element, nachdem ich meine Karriere im Laufsport beendet hatte.

Haben Sie während der vereinslosen Zeit privat Schach gespielt und/oder das Schach medial verfolgt?

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich während dieser 27 Jahre Schach gespielt hätte. Medial verfolgte ich die Schachszene nur noch am Rande. Als ich vor rund zwei Jahren wieder einmal eine Schachzeitung kaufte, waren mir praktisch alle Spitzenspieler unbekannt.

Was bedeutet Ihnen Schach heute?

Schach hat für mich heute wie damals sehr viele Bedeutungen: geistig fit bleiben – Strukturen analysieren und Pläne ableiten – gedankliche Klarheit üben und kommunizieren – sportlicher Wettbewerb – und man ist nie am Ende angelangt. Ich kenne keinen anderen Spielsport, von dem ein solche Faszination des Unendlichen ausgeht.

Welche Vorteile sehen Sie in der Mitgliedschaft in einem Verein? Oder anders gefragt: Welchen Mehrwert bringt Ihnen die Mitgliedschaft in einem Schachklub?

Beim Schach ist man grundsätzlich als Einzelkämpfer unterwegs. Umso bedeutungsvoller ist es, wenn man sich in einem Verein persönlich vernetzen und austauschen kann. Dazu gehört auch die Teilnahme am Spielbetrieb, den man je nach Umfang anderer Herausforderungen im Alltag umfangmässig unterschiedlich dosieren kann. Aus Erfahrung kann ich klar feststellen, dass selbst geschickt elaborierte Internet-Plattformen die Qualität dieser sozialen Kontakte nicht in gleichem Masse ermöglichen können. Mich faszinieren vor allem auch die unterschiedliche Herkunft und Lebensstile der Schachspieler.

Was gefällt Ihnen am Schachklub Olten besonders?

Der Schachklub Olten wird mit grosser Leidenschaft und gut organisiert geführt. Viele langjährige Mitglieder sind sich der traditionellen Werte des Vereins bewusst und pflegen diese mit. Zudem freut man sich über Neueintritte – unabhängig vom Leistungsvermögen. Als Neumitglied fühlt man sich sehr schnell integriert. Überaus hilfreich sind die Tipps und Ratschläge von erfahrenen Klubspielern.

Welchen Stellenwert haben für Sie Turniere – im Verein und ausserhalb des Vereins (insbesondere auch mit einem Team)?

Die Turniere, insbesondere die Vereinsmeisterschaft, sind der Höhepunkt des Spielbetriebs – darauf legt man den Fokus. Besonders gerne bin ich mit einer Mannschaft unterwegs, weil man sich sozial eingebettet fühlt und auch eine Verantwortung für die Kollegen trägt.

Stichwort Team: Sie haben in der vergangenen SMM-Saison dreimal für Olten II in der 1. Liga gespielt und als Neueinsteiger gegen einen Gegnerschnitt von 1849 ELO beachtlicherweise dreimal remisiert. Wie lautet Ihr Kommentar dazu?

Für das Vertrauen und die Chance, in der 1. Liga spielen zu dürfen, bin ich sehr dankbar. Das war der ultimative Beweis, dass man sich im Schachklub Olten über Neumitglieder freut. Bei den Schachfreunden Reichenstein kam ich höchstens in der 3. Liga zum Einsatz. Die letztjährigen 1.-Liga-Partien spielte ich solide – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Ich wollte einfach auf diesem Niveau schnuppern und sozusagen unbeschadet ankommen.

Haben Sie sich bestimmte sportliche Ziele gesetzt – beispielsweise bezüglich ELO, wo Sie aktuell bei 1497 stehen?

Ich möchte mich nicht allzu sehr auf das Rating konzentrieren. Inhaltliche Fortschritte und die Freude daran stehen für mich im Vordergrund.

Urs Fazis im Porträt

Geburtsdatum: 25. November 1965.

Familie: Verheiratet seit 1996. Zwei erwachsene und Sport-begeisterte Kinder: Tochter Ursina spielt Landhockey beim HC Olten, Sohn Joe Eishockey beim EHC Thun.

Berufliche Tätigkeit: Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts AmPuls Market Research (https://www.ampuls.ch/). Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und an der Universität Innsbruck.

Hobbies: Sport (Fussball, Eishockey), Schach, Kochen und Backen.

Grösste Schach-Erfolge: «Da fallen mir keine ein – ausser den drei 1.-Liga-Unentschiedenen in der SMM 2021…»

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