Interview des Monats mit drei Nachwuchstrainerinnen des Schachklubs Solothurn: «Schachspielen ist eine Art Lebensschule»

von Markus Angst

Livia Behnisch, Valentina Vidal und Polina Fellmann (von links) engagieren sich in der Nachwuchsarbeit im Schachklub Solothurn.

ma - Wir starten mit Ihnen, Livia Behnisch. Haben Sie noch Zeit und Musse für sich? Ich stelle diese Frage, weil Sie Ihre Matura an der Kanti mit einer Sechs abgeschlossen haben.

Livia Behnisch: Ja, für meine Hobbies nehme ich mir immer Zeit.

Wie sieht denn Ihre Freizeitgestaltung in groben Zügen aus?

Ich gestalte meine Freizeit nach Lust und Laune. Bei schönem Wetter verbringe ich gerne Zeit in der Natur, an Regentagen ziehe ich mich mit einem interessanten Buch zurück.

Können Sie uns Ihre Begeisterung für die Naturwissenschaften erklären?

Schon als Kind konnte ich mich mit dem Refrain im Solothurner Lied «S’isch immer e so gsi» nicht zufriedengeben. Wie? Was? Warum? fand ich schon immer interessanter, und die Antworten darauf waren nicht immer befriedigend. Naturwissenschaften können vieles um uns herum erklären, und es gibt noch viel zu erforschen.

Haben Sie denn im Schachspiel auch Formeln und Strukturen erkannt?

In Mattbildern gibt es verschiedene wiederkehrende Strukturen.

Sie haben auch Spass im Schachklub Solothurn beim Training mit den jüngeren Mitgliedern. Wie erklären Sie sich diese Freude beim Unterrichten?

Es ist wichtig, den Nachwuchs zu fördern. Ich durfte selber von den Jugendtrainings im Schach profitieren und möchte dies auch weitergeben. Es macht auch Spass zu sehen, dass sich die Kinder und Jugendlichen fürs Schachspielen begeistern lassen und stetig Fortschritte machen.

Viel Zeit fürs Schachstudium bleibt Ihnen nicht neben der Musik, dem Sport und dem Studium. Oder täusche ich mich?

Schachspielen ist für mich eine Freude und nicht ein Wettbewerb oder ein Muss. Es ist mir nicht möglich, täglich zu trainieren. Aber zwischendurch finde ich immer Zeit, ein Schachproblem oder eine Knacknuss zu studieren und zu analysieren.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie die Erkenntnisse im Schach fürs Leben gebrauchen können?

Schachspielen ist eine Art Lebensschule. Bei jedem Zug muss man eine Entscheidung treffen, deren Konsequenzen man anschliessend zu tragen hat.

Nun studieren Sie Physik und Chemie an der Uni in Bern. Werden Sie trotzdem weiterhin im Schachklub Solothurn aktiv sein?

Das wird sich zeigen. Wenn es mein Stundenplan erlaubt, möchte ich dem Schachklub weiterhin treu bleiben.

Diese Frage stelle ich auch Ihrer Vereinskollegin Valentina Vidal. Welche Aktivitäten üben Sie im Schachklub Solothurn aus?

Valentina Vidal: Wie meine Kollegin Livia bin ich eine zertifizierte Kinder- und Jugendtrainerin. Natürlich spiele ich auch in meiner Freizeit selbst Schach.

Was studieren Sie?

Ich studiere an der Musikakademie Basel und bin im PreCollege mit dem Hauptfach Violine.

Wie sind Sie zum Schachspiel gekommen?

Das Knobeln hat mir als Kind stets gefallen, und daher haben mich meine Eltern kurzerhand für ein Jahr im Schachklub angemeldet. Vor drei Jahren habe ich nach einem Unterbruch aufgrund schulischer Aktivitäten wieder Zeit für das Spiel gefunden, da ich noch immer grosse Freude am logischen Denken empfinde.

Welchen Einfluss hat das Schachspiel auf Ihre Lebensgestaltung?

Im Schach wird gezielt das logische Denken, das Analysieren von Problemstellungen und vieles Weitere gefördert. Dies ist natürlich auch für meinen Alltag von Vorteil.

Konnten Sie dank des Schachspiels Erkenntnisse gewinnen, die Sie im Alltag gebrauchen können?

Wie es Livia bereits schön formuliert hat, müssen Schachspielende Entscheidungen treffen und deren Folgen abwägen und tragen. Dies betrifft selbstverständlich auch jeglichen Bereich im Alltag, sei es in zwischenmenschlichen Beziehungen oder in der persönlichen Lebensgestaltung.

Was zeichnet im Speziellen den Schachklub Solothurn aus?

Der Schachklub Solothurn heisst Klein und Gross, Alt und Jung, Anfänger und Fortgeschrittene willkommen und lädt zum gemeinsamen Schachspiel ein. Es wird nicht nur gezielt das Turnierspielen gefördert, sondern auch das Miteinander unterstützt.

Miteinander. Das ist das richtige Stichwort für dieses Interview. Denn die dritte Frau, die jetzt zur Sprache kommt, ist Polina Fellmann. Sie sind auch im Schachklub Solothurn. Was können Sie uns über diesen Verein erzählen?

Polina Fellmann: Der Schachklub Solothurn ist sehr engagiert. Es werden viele Trainingszeiten angeboten und gelegentlich hat man sogar die Möglichkeit, ein Training eines Grossmeisters zu besuchen. Was unseren Klub aber vor allem ausmacht, sind die daran beteiligten Menschen und ihre gemeinsame Leidenschaft zum Schach. Die Begeisterung der Kinder, die Hilfsbereitschaft der Eltern und das Engagement der Trainer ermöglichen uns einen solch harmonischen Klub.

Was bewegt Sie, stundenlang am Brett zu sitzen und Probleme zu lösen beziehungsweise dem Gegner oder der Gegnerin Probleme zu bereiten?

Die Zeit am Brett vergeht wie im Flug. Während des Spiels blendet man alles ausserhalb Geschehende aus und befindet sich geistig innerhalb der 64 Felder des Schachbretts. Für Zuschauer scheint es eine Ewigkeit zu dauern, aber wenn man vollkommen in die eigene Partie vertieft ist, vergeht die Zeit unmerklich.  

Haben Sie schon im Training oder bei einem Ernstkampf etwas Aussergewöhnliches erlebt, ein Schlüsselerlebnis?

An Turnieren trifft man oftmals auf Gegner, mit denen man sich schon mal gemessen hat. Aber es gab eine bestimmte Gegnerin, bei der ich einen noch stärkeren Ehrgeiz zu gewinnen hatte als bei anderen. Anfangs verlor ich immer nach wenigen Zügen gegen sie. Doch mit jeder gespielten Partie wurde es knapper zwischen uns, und die letzte Schachpartie, die ich gegen sie spielte, dauerte länger als drei Stunden. Ich verlor zwar, aber ich machte es ihr schwer, gegen mich zu gewinnen. Und das war für mich ein Gewinn. Man soll also nie aufgeben und auch in Verlusten das Positive sehen.

Ist das Schachspiel bei Ihnen wie bei Livia Behnisch und Valentina Vidal ein Hobby, das durch andere Freizeitaktivitäten ergänzt wird?

Ja, genauso wie Tennis, Kunst und Fotografie, ist Schach ein Hobby von mir.

Sind Sie mit dem Frauenanteil im Verein zufrieden?

Der Schachklub Solothurn fördert Frauen und Mädchen im Schach und der Frauenanteil steigt immer weiter an. Natürlich würde es mich aber freuen, wenn die Geschlechterverteilung noch ausgeglichener wäre.

Auf welche Weise engagieren Sie sich im Verein?

Wie auch Livia und Valentina bin ich zertifizierte Kinder- und Jugendtrainerin. Ebenfalls versuche ich auch in anderen Bereichen eine Unterstützung für den Klub darzustellen. Sei es als Fotografin bei Events oder als Begleitperson an Turnieren.

Wann konnten Sie konkret im täglichen Leben von Ihren Schachkenntnissen profitieren?

Ich erkannte, dass es sowohl im Schach als auch im Leben für fast jedes Problem eine Lösung gibt. Man muss einfach nur die Perspektive ändern und ab und zu etwas Neues wagen.

Interview: Graziano Orsi

Livia Behnisch

Wohnort: Solothurn.

Alter: 18.

Beruf: Studentin.

Hobbys: Lesen, musizieren, reisen.

Klub: SK Solothurn.

Valentina Vidal

Wohnort: Solothurn.

Alter: 18.

Beruf: Musikstudentin Violine.

Hobbys: Literatur, Malerei.

Klub: SK Solothurn.

Polina Fellmann

Wohnort: Derendingen.

Alter: 19.

Beruf: Studentin.

Hobbys: Tennis, Kunst, Fotografie.

Klub: SK Solothurn.

Alle drei Studentinnen geben als Buchtipp die «Schachnovelle» von Stefan Zweig an.

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