SEM-Leiter Peter Erismann: «Ein neuntägiges Turnier ist für den Schweizerischen Schachbund ein gutes Marketing-Argument bei der Suche nach SEM-Orten»

von Markus Angst

Peter Erismann (beim Kiebitzen der Partie zwischen WIM/FM Lena Georgescu und FM Noah Fecker): «Wir sind bezüglich SEM-Teilnehmenden praktisch wieder auf dem Niveau vor der Corona-Pandemie.»

ma - Der neue SEM-Leiter Peter Erismann zieht im Gespräch mit SEM-Medienchef Markus Angst eine rundum positive Zwischenbilanz über die Schweizer Einzelmeisterschaften in Leukerbad.

Sie hatten im Vorfeld der SEM der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass 300 Spieler(innen) den Weg an die Schweizer Einzelmeisterschaften nach Leukerbad finden. Nun sind es 16 weniger. Sind Sie trotzdem zufrieden?

Peter Erismann: Ja, ich bin sehr zufrieden. Wir sind damit praktisch wieder auf dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Das war das Hauptziel des Schweizerischen Schachbundes und ist ein Beweis dafür, dass die SEM einen unverändert hohen Stellenwert für die Schweizer Schachspieler(innen) hat. Ich bin sehr zuversichtlich, dass dies auch so bleiben wird.

Nach der SEM-Reform wurde 2019 in Leukerbad erstmals in acht Kategorien – neben den drei geschlossenen Titelturnieren in einem Meisterturnier und in vier Hauptturnieren – gespielt. Dieses Jahr kommt derselbe Modus zur Anwendung. Hat sich dieser Ihrer Ansicht nach bewährt?

Ja. Allerdings bereitet es mir etwas Sorge, dass es in Leukerbad im Meisterturnier nur 36 Teilnehmende hat. Da müssen wir uns Gedanken machen – indem wir die starren ELO-Zahlen für die Meisterturnier-Qualifikation möglicherweise etwas lockern, damit stärkere Hauptturnier-I-Spieler den Sprung ins Meisterturnier wagen.

In diesem Jahr kollidieren die Schweizer Einzelmeisterschaften erstmals mit dem Bieler Schachfestival. Es sieht so aus, dass just die Qualität des SEM-Meisterturniers etwas darunter leidet.

Das sehe ich auch so. Allerdings ist unser Meisterturnier die einzige Kategorie, in der eine Konkurrenzierung mit dem Bieler Schachfestival sichtbar ist. Doch erstens fällt die SEM dieses Jahr in die Zürcher Schulferien. Zweitens würden längst nicht alle potenziellen Meisterspieler sowohl die SEM als auch Biel spielen. Und drittens kann man es nun mal insbesondere mit der Terminansetzung nicht allen recht machen.

Im vergangenen Jahr wurden bei der siebentägigen SEM in Samnaun coronabedingt im Nationalturnier zwei Doppelrunden gespielt. Heuer stehen bei der neuntägigen SEM in Leukerbad keine Doppelrunden dem Programm. Hat sich die Rückkehr zu einem neuntägigen Event bewährt?

Meiner Ansicht nach ja – zumal wir von Samstag bis Sonntag spielen und damit auch die Teilnehmer(innen) des Herren- und Damen-Titelturniers sowie des Meisterturniers nur eine Woche Ferien nehmen müssen. Doppelrunden sind an einer SEM zum einen unbeliebt. Und zum andern ist es für den Schweizerischen Schachbund auch ein gutes Marketing-Argument bei der Suche nach SEM-Orten, wenn wir neun statt sieben Tage spielen und damit einer Feriendestination zu mehr Übernachtungen verhelfen. Doch auch hier gilt das alte Sprichwort: Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Wir werden jedenfalls alles daransetzen, auch in Zukunft attraktive SEM-Austragungsorte und Spiellokale zu finden.

Vor vier Jahren begannen die Runden in Leukerbad um 14 Uhr, nachdem früher bereits um 13 Uhr gespielt worden war. 2022 switchte man dann in Samnaun auf 13.30 Uhr, um insbesondere den Spieler(inne)n mit Halbpension entgegenzukommen. Auch in Leukerbad spielt man nun um halb zwei. Hat sich dieser Rundenbeginn bewährt?

Der Rundenbeginn 13.30 Uhr ist an dieser SEM kein Thema, und mir ist diesbezüglich keinerlei Opposition zu Ohren gekommen. Wir planen deshalb keine Änderung. Offensichtlich ist 13.30 Uhr ein optimaler Kompromiss zwischen den verschiedenen Bedürfnissen.

Sie amtieren in Leukerbad erstmals als SEM-Leiter. Welches Zwischenfazit ziehen Sie nach zwei Dritteln des Turniers?

Kurze und knappe Antwort: Erfreulicherweise läuft alles problemlos.

Was gefällt Ihnen besonders gut?

Äusserst positiv finde ich, dass alle acht Turniere in der gleichen Halle stattfinden – das ist für alle Teilnehmenden und auch für Kiebitze ein grosses Plus. Mir gefällt auch, dass die Partien des Herren- und Damen-Titelturniers in einen separaten Raum übertragen werden. In diesem «Mini-Kino» können sich die Leute die Partien auf zwei grossen Bildschirmen anschauen und miteinander die Stellungen diskutieren. Das möchte ich auch für kommende SEM beibehalten.

Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen von Leukerbad Tourismus?

Sie ist ausgezeichnet! Dass Eddy Beney schon mehrmals als OK-Präsident gewirkt hat und wie weitere OK-Mitglieder über eine grosse Erfahrung verfügt, erleichtert die Arbeiten insbesondere im Vorfeld natürlich enorm. Es ist ein grosser Vorteil, wenn wir zum wiederholten Mal in einem SEM-Austragungsort zu Gast sind. Denn vieles können die lokalen Organisatoren aus der Schublade ziehen.

So perfekt es hier oben – insbesondere auch bei diesem schönen Sommerwetter – ist: 2024 wird die SEM ja wohl kaum wieder in Leukerbad stattfinden. Können Sie uns verraten, wo im nächsten Jahr gespielt wird?

Das könnte ich, aber wir wollen die Katze erst an der Siegerehrung übermorgen Sonntag aus dem Sack lassen. Was ich jedoch jetzt schon verraten kann: Die SEM 2024 wird im Kanton Graubünden gespielt. Und auch der Termin ist bereits fixiert: 13. bis 21. Juli – also wiederum von Samstag bis Sonntag.

Seit der Corona-Pandemie haben viele Schweizer(innen) wieder Ferien im eigenen Land entdeckt. Ist es deshalb schwieriger geworden, Austragungsorte für die SEM zu finden?

Nicht unbedingt. Hingegen gibt es – wie Michelle Grichting von Leukerbad Tourismus vor zwei Tagen an dieser Stelle ausgeführt hat – nach Ende der Pandemie wieder mehr Events. Für diese brauchen die Ferienorte nicht nur entsprechende Infrastrukturen, sondern sie benötigen auch viel Human Power. Deshalb müssen wir möglichst früh planen, was aber nicht so einfach ist. Ideal wäre es auch, bei den Austragungsorten eine möglichst grosse Abwechslung zu haben. Doch auch dies ist eine grosse Herausforderung, weil ein Ferienort nicht nur über genügend Übernachtungskapazitäten, sondern auch über ein optimales Spiellokal – sprich: idealerweise über eine Halle für alle Turnieren – verfügen muss.

Lesen Sie auch das Interview des Monats Juni mit Peter Erismann auf der SSB-Website.

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