Generation CHess: Wie Beat Hunkeler nach 37-jähriger Pause wieder zum Schach und in einen Verein zurückgefunden hat (Kopie)

a cura di Markus Angst

Beat Hunkeler: «Am Verein gefällt mir, dass man interessante Leute trifft, die Freude am gleichen Thema haben.»

ma - Während nahezu vier Jahrzehnten war Beat Hunkeler aus beruflichen Gründen schachabstinent. Nach seiner Frühpensionierung fand der im luzernischen Oberkirch bei Sursee aufgewachsene und in Pfäffikon im Zürcher Oberland wohnhafte 58-jährige Rechtsanwalt jedoch zurück zum königlichen Spiel. Er wurde Mitte 2020 Mitglied des Schachklubs Pfäffikon und bestritt – mit beachtlichem Erfolg – bereits die ersten Rapid- und Blitzturniere auf nationaler Ebene.

Beigebracht hat ihm das Schachspiel – wie so oft – der Vater. Mit ihm sowie mit seinem Bruder spielte er regelmässig im Familienkreis, bevor er 1977 als 14-Jähriger sein erstes Turnier bestritt: ein im Rahmen der Schach-Olympiade in Luzern ausgetragenes Schülerturnier. Mit 3 Punkten aus fünf Runden belegte er den 7. Platz und gewann ein Schachbüchlein. «Dieses spielte ich dann durch. In der Folge schlug ich ab und zu einen drei Jahre älteren Kollegen aus dem Quartier. Dieser war Mitglied des Schachclubs Sursee und nahm mich mit in den Verein», erinnert sich Beat Hunkeler.

Erfolge als Junior…

1979 bis 1984 war er Mitglied des SC Sursee – und verzeichnete während dieser fünf Jahre einige Erfolge. So wurde er einmal Vizejuniorenmeister des Innerschweizer Schachverbandes (ISV). Er gewann die Kategorie B des damals legendären Weihnachts-Blitzturniers im Hotel «Rütli» in Luzern. Ein Jahr später wurde er beim gleichen Anlass in der Kategorie A Fünfter und bezwang dabei den über seine Region hinaus bekannten Turniersieger Kobo Rickenbach. Er liess sich zweimal als Cupsieger seines Klubs feiern und bezwang im vom ISV organsierten Lienert-Cup die ehemalige Schweizer Meisterin Therese Leu (was in der Lokalpresse entsprechenden Widerhall fand). Und er brachte den zweifachen Vizeweltmeister Viktor Kortschnoi in einer Simultanvorstellung im Shopping Center Emmen mal dazu, anderthalb Minuten vor seinem Brett stehen zu bleiben und über die Stellung zu brüten – «was mich sehr beeindruckt hat, weil Kortschnoi sonst meistens nur drei Sekunden pro Zug brauchte.» Die Partie war aber danach schnell zugunsten Kortschnois entschieden.

Dass er sich im Alter von 21 Jahren vom Schach verabschiedete, hatte zwei Gründe. Zum einen musste er sich 1982 mehreren Lungenoperationen unterziehen und verbrachte insgesamt fast drei Monate im Spital. Da damals am Brett noch geraucht werden durfte und ohnehin schlechte Luft in den Spiellokalen (Wirtshäuser) herrschte, kann man sich leicht vorstellen, dass Schachspielen für ihn nicht mehr ideal war.

…dann Focus auf den Beruf

Zum andern galt sein Fokus fortan voll dem Studium und der beruflichen Karriere. Nach dem Lizenziat der Jurisprudenz an der Uni Fribourg und dem Anwaltspatent des Kantons Luzern arbeitete Beat Hunkeler 29 Jahre lang für die Bank Vontobel. Erst in der Abteilung Legal & Compliance, dann als Sekretär des Verwaltungsrats, danach als Head Corporate Legal Management und zuletzt als Legal Counsel Regulatory.

Weil sein Job anspruchsvoll war und zeitliche Flexibilität auch mit Auslandsreisen zu verschiedenen Standorten von Vontobel erforderte, war Schach erst recht kein Thema, und er spielte – allerdings ganz selten – nur noch im Freundeskreis. Ansonsten war für ihn das Thema abgehakt, und auch medial verfolgte er das Schach nicht mehr – «auch wenn mir», wie er einschränkt, «Garry Kasparow natürlich ein Begriff war.»

Das änderte sich jedoch mit der Frühpensionierung im vergangenen Jahr. Der vielseitig – Reisen, Geschichte, Kultur, Natur – interessierte Beat Hunkeler reaktivierte zwei Hobbies: Astronomie (da belegt er einen Kurs an der Volkshochschule) und Schach (mit dem Beitritt zum SK Pfäffikon. Dessen Spielabende kollidierten unglücklicherweise mit den Volkshochschule-Kursen, weshalb er nicht immer mitspielen konnte. «Am Verein gefällt mir sehr », so Beat Hunkeler, «dass man interessante Leute trifft, die Freude am gleichen Thema haben, dass man sich mit ihnen austauschen und dass man Turniere bestreiten kann.»

Erst online, dann Comeback am Brett

Bevor er erstmals nach bald vier Jahrzehnten wieder in einem Verein am Brett sass, spielte er – schon vor dem ersten Lockdown – auf den drei Plattformen LichessChess24 und chess.com regelmässig Online-Partien. Meistens im Rapid-, seltener im Blitz-Modus. Im Durchschnitt der drei Internet-Anbieter kommt er von 1700 Anfang Jahr auf 1850 per Ende 2021.

Das dürften auch etwa die Werte gewesen sein, die er seiner besten Juniorenzeit aufgewiesen hat. Weil der Schachclub Sursee damals nicht Mitglied des Schweizerischen Schachverbandes war und der ISV eine eigene Führungsliste hatte, war Beat Hunkeler in der Schweizer Führungsliste nicht vertreten. Auf 1750–1800 ELO schätzt er seine heutige Spielstärke ein. «In unserem Verein bin ich unter den guten Spielern ein schlechter und unter den schlechten ein guter.»

Schach bezeichnet Beat Hunkeler als faszinierendes Spiel und als «geistige Nahrung». Diese nimmt er beispielsweise über Schachbücher auf, die er sich angeschafft hat. Oder über die vom Schweizerischen Schachbund während des ersten Lockdowns angebotenen Masterclasses von Grossmeister Yannick Pelletier, die er sich nachträglich allesamt auf der SSB-Website angeschaut hat. «Ich fand sie überaus interessant, und sie haben mir neue, vertiefte Perspektiven für mein eigenes Schach aufgezeigt.»

Da staunte schon wieder eine Schweizer Meisterin…

Noch hat Beat Hunkeler seit seinem Comeback ausserhalb des Klubs keine einzige Partie mit klassischer Bedenkzeit gespielt – wohl aber vier Schnellschach-Turniere auf nationaler Ebene. Und da sorgte er bereits bei seiner Premiere für einen Coup. An der Schweizer Rapidmeisterschaft in Winterthur im vergangenen Oktober – «dort wollte ich mal eine Standortbestimmung vornehmen» –schlug er in der 1. Runde einen 1855er, remisierte in der 2. Runde gegen einen 1762er und spielte in der 3. Runde auch gegen die zweifache Schweizer Meisterin WIM Gundula Heinatz unentschieden. «Als ich damals gegen Therese Leu gespielt habe», so Beat Hunkeler, «wusste ich, dass sie mal Schweizer Meisterin war. Gundula Heinatz hingegen kannte ich offen gesagt nicht – ich habe mich gar erkundigen müssen, was die Bezeichnung WIM vor ihrem Namen bedeutet…»

Die Schweizer Nationalspielerin erinnert sich noch gut an die Partie gegen den «Nobody»: «Seine solide Herangehensweise in der Eröffnung brachte mich in Nöte. Ich konnte nach einer zunächst schlechteren Stellung einen Königsangriff initiieren und dank diesem Ausgleich erreichen. Das Endspiel mit ungleicher Materialverteilung und beidseitigen Chancen war für beide Seiten anspruchsvoll, und wir kämpften bis zum Dauerschach.» Diesem von Gundula Heinatz gegebenen Ewigschach trauerte Beat Hunkeler ein klein bisschen nach: «Zuvor hatte ich mal den Damentausch verpasst, so dass ein Freibauer von mir gelaufen wäre. Doch das vorliegende Unentschieden ist sicher ein sehr gutes Ergebnis für mich.»

Nach zweimal Winterthur auch zweimal Zürich

Mit 4 aus 9 blieb er an der Rapidmeisterschaft ebenso knapp unter der 50-Prozent-Marke wie tags darauf mit 6 aus 13 in der Blitzmeisterschaft. «Während ich im Rapidturnier aufgrund meiner Online-Erfahrungen mit einem solchen Resultat gerechnet hatte, war ich im Blitzturnier schon überrascht, weil ich so gut wie nie drei Minuten plus zwei Sekunden blitze.»

Dass es Beat Hunkeler aber auch mit dieser kurzen Zeit drauf hat, bewies er auch im Blitzturnier des Zürcher Weihnachts-Opens. Dort blieb er mit 4 aus 9 wiederum nur knapp unter 50 Prozent und schlug den 2147 ELO aufweisenden arrivierten 1.-Liga-Spieler Martin Schmid. Gleichentags belegte er im Hobbyturnier mit 5 aus 7 den ausgezeichneten 5. Platz.

Ziel: ein guter 1900er werden

Gerne hätte er im Hotel «Crowne Plaza» das Allgemeine Turnier gespielt, um in die Schweizer Führungsliste aufgenommen zu werden. Da er nicht gerne mit Maske spielt und die Corona-Lage trotz Booster-Impfung ungünstig ist, verzichtet er jedoch. Wegen der Pandemie hatte er bereits die Schweizer Einzelmeisterschaften in Flims verpasst, weil dort nur die vier Titelturniere, nicht aber die Amateurkategorien ausgetragen wurden.

Dafür steht die SEM in Samnaun im kommenden Juli auf seinem Turnierplan, und er will für seinen Verein auch die Schweizerische Mannschafts- und Gruppenmeisterschaft 2022 spielen. Ausserdem freut er sich jetzt schon darauf, 2023 – dann wird er 60 – den Schweizer Schach Senioren beitreten zu können. «Mir gefallen die Austragungsorte der Seniorenturniere, da ich dort ohnehin gerne meine Ferien verbringe.»

Und welche sportlichen Ziele hat sich Beat Hunkeler, der als verwitweter und kinderloser Hausmann über genügend Zeit verfügt und sich in seinem Haus eine Schachecke mit Stehpult, stets aufgestelltem Brett und Büchern eingerichtet hat, gesetzt? «Idealerweise würde ich lieber nur einmal das Hauptturnier IV spielen…», meint er mit einer Prise Ironie – um etwas ernsthafter anzufügen: «Mein Ziel ist es, ein guter 1900er zu werden, um auch an den Seniorenturnieren konkurrenzfähig zu sein.»

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