Interview des Monats mit Olaf Nazarenus vom Jugendschachverein Caissa Nidwalden – Jugendschach als Passion

a cura di Markus Angst

Olaf Nazarenus: «Das Mädchenschach zu fördern, ist uns ein besonders wichtiges Anliegen.»

ma - Der Jugendschachverein Caissa Nidwalden ist in Fahrt gekommen. Die Erfolgsserie scheint nicht abzureissen. Ein Besuch vor Ort in Hergiswil drängt sich auf, um zu verstehen, was nicht erklärbar ist – oder doch?

Hergiswil. Samstagmorgen. Diese Gemeinde im Kanton Nidwalden zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie zwei Bahnhöfe hat. Wer den Jugendschachverein Caissa Nidwalden besuchen will, steigt beim Bahnhof Hergiswil-Matt aus und steht nach wenigen Metern im Spiellokal, das sich in der Schulanlage Hergiswil Matt befindet. Der SJMM-Match zwischen JSV Caissa Nidwalden und Wollishofen III hat begonnen. Nach einer relativ kurzen Zeit füllt Vereinspräsident Olaf Nazarenus bereits das Matchformular mit den Ergebnissen aus und hält kurz fest, dass ein 4:0-Sieg erzielt worden sei.

Das Ergebnis ist keine Überraschung. En passant sagt der 61-Jährige: «Es macht einfach Spass.» Der JSV weist eine makellose Bilanz auf: Sieger der 1. Regionalliga Ost II der Schweizer Jugend-Mannschaftmeisterschaft. Die jungen Schachspieler(innen) haben alle 20 Partien gewonnen. Olaf Nazarenus ist stolz auf sie. Er steht gerne für eine Berichterstattung über den vor neun Monaten gegründeten Verein bereit. Im Vorfeld des Gesprächs weist er darauf hin, dass es ihm wichtig sei, nicht im Zentrum des Artikels zu stehen. Er betrachte es als notwendig, verschiedene Ansichten zu hören. Aus diesem Grund organisierte er zusätzlich den Junior Danilo Shevchenko aus der Ukraine sowie das Elternpaar Martina und Richard Weekes, deren Sohn Jayden ebenfalls im JSV Caissa Nidwalden spielt.

Starten wir mit einer offenen Frage. Was können die Eltern zum JSV Caissa Nidwalden sagen?

Martina Weekens: Schwierigkeiten sind zurzeit auf alle Fälle nicht in Sicht. Unser Sohn hat diese Stossrichtung gewählt, und es sieht offensichtlich so aus, dass es ihm gefällt. Ich habe jedoch zu wenig Schachkenntnisse, um ihn in diesem Bereich zu fördern.

Richard Weekens: Im Frühling 2023 habe ich ihm die wichtigsten Regeln und Züge beigebracht. Jetzt schlägt er mich bereits mühelos. Es geht ungemein rasant.

Martina Weekens: Er ist gut aufgehoben im Klub und schätzt es, mit anderen Jugendlichen einem Hobby nachzugehen. Die Schule geht jedoch vor.

Jayden besucht das 1. Gymnasium in Stans. Die Prioritäten sind gesetzt. Der regelmässige Besuch des Trainings ist den Eltern auch wichtig, so dass die Seriosität der Freizeitbeschäftigung gewahrt bleibt. Sie schätzen, dass die Trainer des Vereins, Sergei Khamraev und Olaf Nazarenus, ihre Tätigkeit im Verein mit Leidenschaft ausüben. Dies hat im positiven Sinne auch der 13-jährige Ukrainer Danilo Shevcheko zu spüren bekommen. Im Klub wird viel Wert auf Spielanalysen gelegt, und das Spielen von Langzeitpartien wird ganz klar mit Turnierteilnahmen gefördert. Schnellschachturniere sollen da eher die Ausnahme sein.

Bist du somit zufrieden, Danilo?

Ja. Ich habe in der Ukraine dank meines Onkels Sergei das Schachspiel kennengelernt. Und nun bin ich in der Schweiz, und glücklicherweise trainiert mich mein Onkel weiterhin. Im JSV Caissa Nidwalden schätze ich es, dass das Startgeld bei offiziellen Turnieren bei allen offiziellen Turnieren des Schweizerischen Schachbundes und des Innerschweizer Schachverbandes übernommen wird, und die Spielstärke zwischen mir und den Trainern ist mittlerweile nicht mehr so gross.

Der 13-Jährige hat fast 2000 ELO erreicht. Die Trainer haben diese Zahl zwar überschritten, sind aber in Reichweite.

Richard Weekens: Der noch junge Verein ist stark gewachsen. Er hat vielen Jugendlichen das Erlernen des Spiels ermöglicht und muss sich festigen. Die Vereinsarbeit ist auf wenigen Schultern verteilt.

Was sagen Sie dazu, Olaf Nazarenus?

Es stimmt, dass wir jung sind. Neun Knaben und acht Mädchen sind im Verein aktiv. Das Mädchenschach zu fördern, ist uns ein besonders wichtiges Anliegen. Dass wir nahezu eine Parität von Mädchen und Knaben haben, bestätigt das. Hinzu kommen noch sieben Erwachsene, davon drei Passivmitglieder. Wichtig scheint mir zu erwähnen, dass sowohl das Engagement der Eltern und die Mitarbeit der Jugendlichen die Voraussetzungen sind, um überhaupt eine Vereinsarbeit leisten zu können.

Was steht denn aus der Sicht des Vereinspräsidenten im Zentrum des jungen Schachvereins?

Die Jugendlichen haben bei uns Vorrang. Ihre Belange stehen im Zentrum des Vereinslebens und somit vor den Interessen der erwachsenen Mitglieder. Das steht auch so in unserer Satzung. Die Jugendlichen und die Erwachsenen müssen zusammen einen Einklang finden im jungen Klub.

Und wie sieht dies konkret aus?

Selbstverständlich sind die Jugendlichen in der Vorstandsarbeit eingebunden und haben eine Stimmkraft bei der Entscheidungsfindung. Jeder Jugendliche ab 14 Jahren hat das aktive und passive Stimmrecht. Für Jugendliche unter 14 Jahren haben die Eltern ein stellvertretendes Stimmrecht. Der Vorstand besteht aus sieben Personen, davon sind drei Jugendliche mit vollem Stimmrecht im Vorstand. Aus meiner Sicht ist nur so eine ausreichende Teilhabe gewährleistet und es ist auch ganz hilfreich, einmal nicht alles aus Erwachsenensicht zu beurteilen.

Was wollen Sie mit den Jugendlichen erreichen beziehungsweise können Sie uns die mittel- und langfristigen Ziele umreissen?

Wir streben ein gesundes Wachstum in Bezug auf die Anzahl Vereinsmitglieder an. In der SJMM wollen wir in die Nationalliga A aufsteigen. Wir haben nun bereits die Chance, die Relegation zur Nationalliga B zu meistern. Unser Team besteht ausschliesslich aus einer U14-Mannschaft, in der die einzelnen Jugendlichen noch enormes Entwicklungspotential haben. Dies gilt es gezielt zu fördern. Ein weiteres Ziel ist, dass sich unsere Jugendlichen auch im Erwachsenenschach profilieren. In der 3. Regionalliga der Schweizerischen Gruppenmeisterschaft wurden wir in der vergangenen Saison ungeschlagen bei nur zwei Verlustpartien Gruppensieger und spielen auch hier das Aufstiegsspiel. In der SGM und SMM ist die 1. Liga das mittelfristige Ziel mit einem Zeithorizont von vier bis fünf Jahren

Worauf führen Sie den Erfolg der vergangenen Monate zurück?

Neben der strukturierten Arbeit in unseren Trainings mit Spielanalysen verfügen wir auch über eine ausgezeichnete Infrastruktur. Ich halte nicht viel von «trockenem Frontalunterricht». Es gilt viel zu spielen. Die Spielanalyse danach ist jedoch obligatorisch. Dabei lernen die Jugendlichen direkt aus den eigenen Fehlern, und natürlich gilt es auch das Positive aus jeder Partie herauszufinden und zu memorisieren – sozusagen «train on the job». Viel zu spielen macht einfach mehr Spass. Das Spiel- und Trainingslokal wird uns von der Gemeinde kostenlos zur Verfügung gestellt. In Emmetten gibt es ein privates Engagement, das uns gegen eine sehr geringe Beteiligung an den Nebenkosten die dortige «Kulturstube» zur Verfügung stellt. Pro Woche sind wir drei Mal in unterschiedlichen Spielstärken am Trainieren.

Es ist offensichtlich. Olaf Nazarenus ist ein passionierter Schachspieler und engagierter Vereinspräsident. Und nur er kann wissen, wie sich das starke Engagement entwickelt hat. Seine Sätze wie «Wir sagen, was wir tun. Und wir tun, was wir sagen» sind glaubwürdig.

Gibt es noch andere Gründe für den Erfolg?

Für die Mitgliedergewinnung ist eine ordentliche Website eine zwingende Voraussetzung. Sie ist der digitale Personalausweis des Vereins.

Und wie sieht es in finanzieller Hinsicht um den jungen Verein aus?

Wir verlangen von unseren jugendlichen Mitgliedern nur 50 Franken Mitgliederbetrag im Jahr. Für Geschwisterkinder sogar nur 40. Für uns ist Jugendarbeit immer auch ein soziales Projekt, das allen Jugendlichen die volle Teilhabe am Schach als Hobby ermöglichen soll – auch denen, deren Eltern jetzt nicht so gut situiert sind. Dank Turnierorganisationen mit Sponsorenbeträgen können wir unser Vereinsvermögen erhöhen. Zudem zahlt die Gemeinde einen Förderbetrag in der Höhe von 350 Franken für jeden Hergiswiler und jede Hergiswilerin.

Woher kommen die Jugendlichen?

Das Einzugsgebiet ist der ganze Kanton Nidwalden und die angrenzenden Kantone

Wie lebhaft ist die Innerschweizer Schachszene aus Ihrer Sicht?

Die Vereine existieren. Vereinsgründungen sind jedoch zurzeit selten. Im Gegenteil, die Zahl der Vereine nimmt eher ab. Wir sind da eine Ausnahme.

Werfen wir noch einen kurzen Blick in die Zukunft. Was steht bevor?

Ein unvergessliches Erlebnis kommt auf uns zu. Mit elf Spieler(inne)n werden wir nach Deutschland reisen und am grössten Schachturnier Europas teilnehmen – nämlich am Grenke Open in Karlsruhe. Das sind Erlebnisse, die Jugendliche an den Verein und das Schachspiel binden. Dazu wünschen wir uns natürlich, dass wir die Aufstiegsspiele erfolgreich bestreiten.

Zweifellos wird dies ein Abenteuer für den noch jungen Klub. Die Retourreise nach Zürich war für den Schreiberling ein abenteuerlicher Blickfang. Die geschminkten Jackson Five im Disco-Look kalauerten bereits im Zug. Die Fasnacht in Luzern stand bevor. Im Jugendschachverein Caissa Nidwalden herrscht auf eine andere Art eine ausgezeichnete Stimmung. Kakophone Klänge scheinen gegenwärtig nicht hörbar zu sein. Olaf Nazarenus war es auch ein Anliegen, nicht über die Dissonanzen mit anderen Schachvereinen aus der Vergangenheit zu sprechen, sondern die Aufmerksamkeit auf die Gegenwart zu lenken. Sie ist zurzeit von einem erfolgreichen Aufbruch und einer längeren Siegesserie geprägt.

Interview: Graziano Orsi

Olaf Nazarenus persönlich

Wohnort: Hergiswil.

Geburtsdatum: 21. September 1963.

Beruf: Verwaltungsrat der FSK Consulting AG.

ELO: 2016.

Lieblingsschachspieler: Garry Kasparow. «Aus meiner Sicht war er ein überaus innovativer Schach-Weltmeister.»

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