Glanzvoller Schach-Event in Bern – «Der aktuelle Boom beweist, dass man sich um die Zukunft des Schachs keine Sorgen machen muss»
von Markus Angst
ma - Einzug der Olympischen Fackel, Übergabe der Schach-Briefmarke und mehrere Rahmenveranstaltungen für Jugendliche auf dem Bundesplatz – Festakt mit acht gehaltvollen Grussbotschaften, zwei Simultanvorstellungen und ein Galadiner im Hotel «Bellevue Palace» – ein sichtlich stolzer André Vögtlin, Zentralpräsident des Schweizerischen Schachbunds (SSB): Die Festlichkeiten zum 100-Jahr-Jubiläum des Weltschachbunds FIDE und zum 50. Geburtstag der Schweizer Jugendschachstiftung in Bern werden in die Annalen des Schweizer Schachs eingehen.
Bei herrlichstem Wetter fanden zahlreiche Schweizer Schachfans den Weg auf den Bundesplatz und in den prallvollen Saal des Hotels «Bellevue Palace». Ihr Applaus war gross, als sich FIDE-Präsident Arkady Dworkowitsch mit seiner Entourage eine Gasse durch die Menschenmenge bahnte und die Olympische Fackel an André Vögtlin überreichte.
Deren Weg führte von Mumbai (in Indien hat 2022 die letzte Olympiade stattgefunden) über die französische Hauptstadt Paris (wo 1924 die FIDE gegründet worden ist) nach Bern. Von dort aus geht sie später weiter in die ungarische Hauptstadt Budapest, wo im kommenden September die nächste Olympiade ausgetragen wird.
FM Afrim Fejzullahus grosser Auftritt
Zweites Bundesplatz-Highlight war die offizielle Übergabe der neuen Schach-Briefmarke, die seit 7. März erhältlich ist. Christian Levrat, Verwaltungsratspräsident Die Schweizerische Post AG und selber aktiver Schachspieler, überliess die Hauptrolle bei diesem festlichen Akt sympathischerweise Afrim Fejzullahu. Der in Beatenberg wohnhafte und für den Schachklub Bern spielende FIDE-Meister, seines Zeichens auch Coach der kosovarischen Nationalmannschaft, arbeitet nämlich bei der Post.
Afrim Fejzullahu übergab die Briefmarke feierlich an Arkady Dworkowitsch. «Wie das Schach verbindet auch die Post die Menschen miteinander», sagte der FIDE-Präsident in seiner Dankesrede.
Video-Gruss von Bundespräsidentin Viola Amherd
Danach begaben sich die FIDE- und SSB-Vertreter mitsamt Gästen und zahlreichen Besuchern ins «Bellevue Palace», wo André Vögtlin die Eröffnungsrede zum Festakt hielt. «Es ist mir eine grosse Freude, das 100-Jahr-Jubiläum der FIDE und das 50-Jahr-Jubiläum der Jugendschachstiftung gemeinsam mit ihnen feiern zu können, und es erfüllt mich mit Stolz, Präsident eines Verbandes zu sein, der die FIDE vor einem Jahrhundert mitgegründet hat.»
Bundespräsidentin und Sportministerin Viola Amherd dankte in ihrer Video-Grussbotschaft der FIDE mit Hinweis auf den Hauptsitz in Lausanne für die langjährige Loyalität zur Schweiz. Mit Seitenblick auf den runden Geburtstag der Jugendschachstiftung sagte sie: «Ich kann den Kindern nur empfehlen, Schach auszuprobieren.»
Arkady Dworkowitsch bedankte sich beim Schweizerischen Schachbund für die Organisation des Berner Events. Er wies mit Blick auf das laufende Kandidatenturnier im kanadischen Toronto daraufhin, dass sich die FIDE nicht nur fürs Spitzenschach engagiert, sondern auch das Schach in Slums und Gefängnissen fördert.
Besser Schach als Multitasking…
Jürg Stahl, Präsident von Swiss Olympic (wo der SSB seit dem Jahr 2000 angeschlossen ist), warf einen Bogen von 1924 zu 2024. Er würdigte die Rolle der Schweiz bei der Gründung der FIDE und betonte, «dass der aktuelle Boom beweist, dass man sich um die Zukunft des Schachs keine Sorgen machen muss.»
Laut ihrem Präsidenten Michael Hochstrasser «ist die Jugendschachstiftung zwar nur halb so alt wie die FIDE, aber 50 Jahre sind auch ganz respektabel.» In seiner Grussbotschaft kam er auf die Multitasking-Gesellschaft zu sprechen, «wo immer mehrere Dinge gleichzeitig erledigt werden und man sich nur schwer auf eine einzige Sache konzentrieren kann. Da kann Schach einiges helfen.» Michael Hochstrasser hob auch einige weitere Skills des königlichen Spiels hervor – wie Entscheidungen treffen, verlieren zu lernen und nach der Partie gemeinsam zu analysieren.
Markus Krieger, Präsident der Liechtenstein Chess Federation (LCF), gab seiner Freude Ausdruck, dass sein Verband den Anlass gemeinsam mit dem SSB mitorganisieren konnte. Auch er hob wie Viola Amherd die Bedeutung des königlichen Spiels für Kinder hervor: «Wenn wir ihnen Schach näherbringen, sichern wir uns die Zukunft unseres Sports.» Nicht ohne Stolz sagte Markus Krieger an die Adresse von Arkady Dworkowitsch, «dass Liechtenstein in diesem Jahr erstmals mit einem Damenteam an der Olympiade vertreten sein wird.»
Berner Gartenschachs als Hotspots
Die multikulturelle Komponente des Schachs betonte Alec von Graffenried in seiner Rede. «Deshalb ist Schach auf der ganzen Welt so erfolgreich.» Mit besonderem Stolz erfüllt den Berner Stadtpräsidenten, «dass wir in unserer Stadt so viele Gartenschachs wie nirgendwo sonst in der Schweiz haben. Diese bringen viele Leute zusammen.»
Für Christian Levrat, der das Schlusswort hielt, war der Berner Event «nicht nur als Post-Chef, sondern auch als aktiver Schachspieler ein besonderer Moment.» Dass es in mehr als 150 Ländern Schach-Briefmarken gibt, unterstreicht laut Christian Levrat die universelle Bedeutung des Schachs.
Simultan mit GM Alexandra Kosteniuk und IM Werner Hug: drei Siege für die Amateure
Nach den acht Reden starteten im grossen Saal des «Bellevue Palace» die beiden Uhrensimultanvorstellungen von GM Alexandra Kosteniuk (Weltmeisterin 2008) und IM Werner Hug (Juniorenweltmeister 1971) an je 16 Brettern mit einer Bedenkzeit von 90 Minuten sowohl für die Simultangeber als auch für die Spieler(innen). Drei Amateure durften sich über einen Sieg freuen: Philippe Breyer und Fabian Ferster schlugen Kosteniuk, Nikolay Trebugenko gewann gegen Hug.
Ein Remis schafften WFM Julia Novkovic, Alessio Mirino (beide gegen Kosteniuk), Niels Stijve, Raphael Mathyer und Rudolf Stadler (alle gegen Hug). Prominentester Verlierer auf Seiten der Amateure war Christian Levrat, der sich Kosteniuk geschlagen geben musste.
Parallel fanden auf dem auf dem Bundesplatz mehrere Rahmenveranstaltungen für Jugendliche statt. So spielte Nicola Ramseyer vom Schachklub Bern simultan, und Genf gewann das von Die Schulschachprofis organisierte Vinetum-Gartenschachturnier der Kantone vor Baselland.