Jahresbericht des Zentralpräsidenten

Liebe Ehrenmitglieder,
sehr geehrte Damen und Herren Delegierte,
liebe Funktionärskolleginnen und –kollegen,

Mit der diesjährigen DV geht meine Amtszeit als Zentralpräsident statutengemäss zu Ende. In den sechs Jahren seit dem Zusammenschluss hat der SSB einiges erreicht: Das Zusammenwachsen von SSV und SASB ist harmonisch erfolgt und unsere Wettbewerbe florieren.

Ich bin froh, meinem Nachfolger einen Verband übergeben zu können, der sportlich erfolgreich, modern und effizient organisiert und trotz des leider immer noch fehlenden Hauptsponsors auch finanziell gesund ist. Die Schachspieler in der Schweiz verfügen heute - auch dank zahlreicher privater Turnierorganisatoren - über ein reichhaltiges Spiel­angebot und können zudem neue Dienstleistungen des Verbandes nutzen.

Mit dem Beitritt zur SOA befindet sich das Schach auch gesellschaftlich und politisch in einer verbesserten Ausgangslage, die es jetzt zu nutzen gilt.

Das alles ist natürlich bei weitem nicht allein mein Verdienst, sondern Sie als Funktionär oder aktive Gestalter in den Sektionen haben viel Entscheidendes eingebracht. Ihnen allen möchte ich für Ihr Vertrauen, Ihre Mitarbeit und Ihr Wohlwollen in dieser Zeit recht herzlich danken. Die Zusammenarbeit mit Ihnen liess diese Zeit für mich zu einer persönlichen Bereicherung und zu einer Erfahrung in meinem Leben werden, die ich nicht missen möchte!

Das Jahr 2000 war für das Schweizer Schach besonders reich an sportlichen und anderen Höhepunkten. In meinem Jahresbericht kann ich nicht auf alle Anlässe und Wettbewerbe detailliert eingehen, sondern verweise auf die zahlreichen Spezialberichte. Einige der wichtigsten Ereignisse seien aber kurz erwähnt:

Sportlich ragte insbesondere das sensationelle Abschneiden der Schweizer Herrennationalmannschaft an der Schacholympiade in Istanbul heraus. Der 10. Platz unter 126 teilnehmenden Nationen ist ein schlichtweg grossartiges Resultat.

Sehr erfreulich ist natürlich auch der bei diesem Anlass errungene GM-Titel von Yannick Pelletier. Nochmals herzliche Gratulation!

Die Bronzemedaille von Florian Jenni an den Junioren-Europameisterschaft, sowie der Sieg von Simon Kümin am Junioren-Mitropa-Cup sind ebenfalls aufsehenerregende Erfolge für den SSB und Beweis dafür, dass starke Nachwuchsspieler da sind!

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie alle wieder einmal auf das segensreiche Wirken der Jugendschachstiftung hinweisen. Spezieller Dank gilt unserem Ehrenmitglied Dr. William Wirth, der die Stiftung über viele Jahre hinweg initiativ, dynamisch und erfolgreich geführt hat. Seinem Nachfolger, Georg Kradolfer, wünschen wir ebensoviel Fortüne! Helfen Sie mit, werden auch Sie Mitglied und Sponsor!

Dr. William Wirth ist auch Initiant der soeben vergangenen, grandiosen Schnellschachveranstaltung in Zürich zu Ehren des 70. Geburtstages von Viktor Kortschnoi. Drei Weltmeister, Spasski, Kasparov und Kramnik (Braingames), weitere Spitzengrossmeister und eine Auswahl der Schweizer Nationalmannschaft liessen das Hotel Savoy aus den Nähten platzen, eine grandiose Werbung für unseren Sport.

Nochmals Dank an Dr. William Wirth, an die Bank Hofmann als Sponsor und das ganze OK und ..... herzliche Gratulation an Viktor Kortschnoi!

Im Jahr 2000 durfte das Schweizer Schach zwei seltene Jubiläen feiern:

Die SSZ feierte ihr Jubiläum 100 Jahre Schweizerische Schachzeitung mit einer Sonderserie über die Weltmeister in der Schweiz, sowie mit der "üblichen" schnellen, kompetenten und budgettreuen Berichterstattung.

Herzlichen Dank an Markus Angst, Werner Widmer und dem gesamten Team!

In Pontresina konnte die 100. Schweizerische Schacheinzelmeisterschaft als Jubiläumsturnier in einem besonders gediegenen Rahmen durchgeführt werden. Sie wurde qualitativ und quantitativ zu einem prächtigen Schachfest.

Yannick Pelletier, der Mann des Jahres, wurde hier Sieger bei den Herren. Bei den Damen siegte Evi Grünenwald-Reimer, bei den Senioren Hans Karl. Aber auch der ZV markierte Präsenz und zeigte seinen Gegnern die Zähne: 6 der 7 Mitglieder spielten mit - alle im HT I!

Die Homepage des SSB www.schachbund.ch dient uns allen als wichtige Informationsquelle mit einem stets aktuellen Terminkalender, den neuesten sportlichen Resultaten, der aktuellen Führungsliste, Reglementen, der Funktionärsliste und SMM-Partien der NLA.

Für alle (vernetzten) SBB-Mitglieder ist die Homepage heute ein wichtiges Arbeitsinstrument. Ein weiterer Ausbau in Richtung Breitenschach ist in der kommenden Amtsperiode geplant.

Im Sektor Finanzen haben wir personell ein schwieriges Jahr hinter uns. Eine aktuelle Finanzsituation stand dem ZV während des Jahres als Führungsinstrument nie zur Verfügung und wir tappten lange im Dunkeln. Ich hoffe, dass dies unter dem neuen an der DV zu wählenden Finanzverantwortlichen deutlich verbessert werden kann. Mit dem neugewählten Finanzverantwortlichen wird Frau Manuela Angst zusammenarbeiten und Kasse und Buchhaltung übernehmen. Für die notwendige Reorganisation des Kassenbereichs wurde eine Rückstellung gebildet.

Obschon die Vernachlässigung des Mahnwesens zu unnötigen Debitorenverlusten geführt hat, konnten wir aber beim Abschluss eine positive Überraschung feststellen. Dank intensiver Sparanstrengungen konnte nämlich das Jahr 2000 besser als budgetiert abgeschlossen werden. Mein Dank geht an all meine Funktionärskollegen - viele haben zugunsten des Verbandes auf ihnen zustehende Entschädigungen verzichtet.

Die FIDE operiert leider nach wie vor nicht immer glücklich und hat Mühe, ihre eigenen Statuten und demokratische Gepflogenheiten zu respektieren. Der SSB hat - zusammen mit vielen andern Föderationen und Schachpersönlichkeiten - gegen die statutenwidrig beschlossene Verkürzung der Bedenkzeit protestiert. Es konnte bisher immerhin ein Teilerfolg erzielt werden. Im Interesse unserer Spitzenspieler gilt es, dort mit der FIDE zusammenzuarbeiten, wo dies möglich ist. Aus Schweizer Sicht erfreulich ist, dass mit Rolf Mäser am Kongress in Istanbul ein Vertreter des SSB neu in der Regelkommission der FIDE Einsitz genommen hat.

Die ECU muss weiter gestärkt werden, ist aber zur Zeit noch keine vollwertige Alternative. Enge persönliche internationale Beziehungen werden künftig für die Spielmöglichkeiten der Schweizer Spitzenspieler von noch grösserer Bedeutung als bisher sein.

In sportpolitischer Sicht war der 4. November 2000 für unseren Verband ein historisches Datum. Der langersehnte Beitritts des SSB zur SOA (Swiss Olympic Association) wurde im vierten Anlauf endlich Wirklichkeit.

Mit diesem Schritt hat das Schach in der Schweiz die gesellschaftliche und politische Anerkennung als Sport erreicht. Die Konsequenzen sind vielfältig und in ihrer Gesamtheit noch nicht vollständig überblickbar.

  • Im Pressebereich haben wir bereits die Möglichkeit erhalten, unsere Informationen über die Sportinformation jetzt weitaus besser verbreiten zu können.
  • Der SSB wird dem Dopingreglement der SOA unterstellt werden, welches sich zur Zeit jedoch selbst im Wandel befindet.
  • Eine direkte Unterstützung des Spitzensports durch die SOA kann nach geeigneter Vorarbeit erreicht werden.
  • Die Möglichkeit der kantonalen Förderung von Vereinen und Regionalverbänden besteht, ist allerdings durch 26 zum Teil sehr verschiedene Regelungen bei der Verteilung der Sport-Toto-Gelder sehr unübersichtlich.
  • Noch offen ist, ob und in welcher Form Schach in die Jugend+Sport-Organisation eingebaut werden kann, da diesbezüglich nach dem SOA-Beitritt keine Automatik besteht.
  • Die SOA bietet verschiedene Kurse und Seminare an, die auch für uns von Nutzen sind z.B. über Sponsoring.
  • Das Schach erhält durch die SOA vermehrt Möglichkeiten zur Präsentation, so wurde ein Projekt an der Expo 02 bereits genehmigt.

Wir werden Sie an der DV über den aktuellsten Stand in Bezug SOA informieren.

Von den Geschäften der diesjährigen DV möchte ich kurz auf die wichtigsten Traktanden und Anträge sowie die Wahlen eingehen. Ich bitte Sie insbesondere auch, die unter Wahlen und Abstimmung publizierten Hinweise genau zu beachten, damit die DV ohne Diskussionen um Wahl- und Stimmberechtigungen abgewickelt werden kann.

Das vom ZV vorgeschlagene Budget 2002 - wie üblich mit Unsicherheitsfaktoren behaftet - basiert auf unveränderten Jahresbeiträgen. Der Schachklub Zimmerberg wird dagegen an der DV einen Antrag auf Reduktion der Beiträge für Jugendliche stellen.

Die Frage nach einer Kompensation der Ausfälle wird von der DV zu diskutieren sein.

An der DV schlagen wir Ihnen drei Statutenänderungen vor: (Die Statuten sind in der Agenda 1999 abgedruckt oder auf unserer Homepage ersichtlich.)

  • Die Zusammenlegung der beiden Kommissionen Verwaltung und Finanzen sowie die Neuschaffung eines Ressorts Breitenschach wird vom gesamten ZV mitgetragen.
  • Eine rein redaktionelle Korrektur des Artikels 19 erscheint sinnvoll: Es handelt sich um einen offensichtlichen, von allen übersehenen Fehler bei der Gesamtrevison der Statuten: Eine "Technische Kommission" gibt es nicht mehr!
  • Nach dem SOA-Beitritt ist ein redaktionelles Nachvollziehen der Statuten die logische Folge. Weiterhin soll die Kompetenz des ZV zum Erlass von Dopingvorschriften in den Statuten explizit festgeschrieben werden.

Weiter stehen drei Änderungen des SMM- und eine Änderung des SEM-Reglements zur Debatte:

  • Wir schlagen wir Ihnen eine eher unbedeutende Änderung des SMM-Abstiegs vor: In der Praxis hat es sich als sinnvoll erwiesen, dass im Falle eines vorzeitigen Rückzuges einer Mannschaft, nur noch der Gruppenletzte absteigt. Der Wechsel in der Gruppe wird sonst allzu stark.
  • In einem Urteil hat das VSG entschieden, dass die Unterbringung wichtiger SMM-Vorschriften in den Ausführungsbestimmungen rechtlich nicht ausreichend abgesichert sei. Deshalb muss jetzt die Kompetenzaufteilung zwischen DV und der Kommission für Turniere im SMM-Reglement selbst klar geregelt werden.
  • Wir erachten es als zweckmässig in den SEM und SMM-Reglementen den in den Statuten verankerten Hinweis auf die Kompetenzen des ZV zum Erlass von Dopingbestimmungen erneut festzuhalten. Dies mag streng juristisch nicht nötig sein, dient aber der Klarheit für alle potentiell Betroffenen.

Vom Schachklub Niederrohrdorf liegt ein Antrag an die DV vor, der ZV solle eine bessere Integration des Seniorenschachs in die Strukturen des SSB prüfen. Da die definitive Fassung dieses Antrages erst nach der letzten ZV-Sitzung eingetroffen ist, liegt bei Drucklegung dieser Unterlagen noch keine Stellungnahme des ZV vor.

Beim Traktandum Ehrenmitglieder beantragt Ihnen der ZV, sehr geehrte Damen und Herren Delegierte, Viktor Kortschnoi zum Ehrenmitglied des SSB zu wählen.

Wir rechnen zuversichtlich mit Ihrer freudigen Zustimmung!

An sich darf sich jeder Sportverband glücklich schätzen, wenn sich um seine Leitung gar zwei Kandidaten bewerben. Ebenso erfreulich ist es, dass sich in beiden Kandidatenteams neue Kräfte eingefunden haben, die sich für den Verband und das Schach einsetzen wollen. Dennoch hat dieser Wahlkampf im bestehenden ZV nicht nur positive Seiten gezeigt, denn er hat Kräfte gebunden, die sinnvoller hätten eingesetzt werden können, zu Spannungen geführt und das Arbeitsklima negativ beeinflusst. Als noch amtierender ZP war ich über diese eingetretene Entwicklung unglücklich.

Möglicherweise werden Sie sich fragen, wieso ich nur zusammen mit Peter Erismann für den ZV kandidiere, meine Kandidatur aber bei der Wahl von Philipp Hänggi zum Zentralpräsidenten nicht aufrecht erhalte. Ich schätze die Leistungen von Philipp Hänggi im technischen Bereich sehr hoch ein und bedaure, dass er sich nach lediglich zwei Jahren im ZV für die Fortsetzung dieser Aufgabe nicht mehr zur Verfügung stellt. Seinen in der laufenden Amtsperiode gezeigten oft undemokratischen und sehr unkollegialen Führungsstil hingegen, welcher sich auch in Missachtung von ZV-Beschlüssen äusserte, und sein manchmal undiplomatisches und polarisierendes Auftreten halte ich für unseren Verband als wenig geeignet. In meinen Augen ist es auch - insbesondere nach seiner gänzlich anderen Selbstdarstellung im SSZ-Interview - meine Pflicht als ZP, der DV als oberstem Organ des SSB und Wahlbehörde diese Bedenken vor der Wahl mitzuteilen.

Ihre Pflicht hingegen, sehr geehrte Damen und Herren Delegierte, ist es, beide Kandidaten und ihre Teams zu prüfen und dem SSB für die nächsten zwei Jahre eine neue Führung zu bestellen.

In der festen Überzeugung, dass - wie nach jeder amerikanischen Präsidentenwahl (und bei garantiert besserer Stimmenauszählung!) - die entstandenen Gräben nach geschlagener Schlacht zum Wohle des Verbandes und der anstehenden Aufgaben rasch zugeschüttet werden, schliesse ich mit dem hoffentlich beim SSB gut aufgehobenen FIDE-Motto:

Gens una sumus.

Arlesheim, Anfang Mai 2001
Ruedi Staechelin
Zentralpräsident